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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 4.1906

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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4390#0451

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CHRONIK

NACHRICHTEN, AUSSTELLUNGEN ETC.

Das bedeutendste Kunstereignis für uns in der letzten
Zeit war die Enthüllung des hamburger Bismarckdenk-
mals. Das erste Mal, dass eine Darstellung des grossen
Mannes Künstler und weite Volkskreise, kurz alle Welt
ergriffen hat. Um so stärker wirke dies Bismarckdenkmal,
als gerade auch in Hamburg mit das schlechteste Denk-
mal, das die entgegenstehendeRichtung aufzuweisen hat,
das Kaiser Wilhelmdenkmal von Prof. Schilling, zu
finden ist.

Diese Darstellung Bismarcks als Roland giebt, da sie
gefällt, manche Probleme auf, z. B. das, wie es kam, dass
das Klimschsche Denkmal für Prof. Virchow, ebenfalls
keine Porträtdarstellung, ebenso allgemein missfiel, wie
die Allegorisierung Bismarcks gefallen hat. Die Ant-
wort ist leicht: Bismarck identifiziert sich mit dieser
Verallgemeinerung zur Gestalt eines Roland — Virchow
verträgt die Verwandlung seiner Person in einen Her-
kules oder dgl. durchaus nicht. Der Künstler hat sich
vollständig über die Art der Bedeutung von Virchow ge-
täuscht. Nur solche Erscheinungen wie Bismarck erlauben
jetzt eine Allegorisierung. Zweitens: Es war nicht das
erste Denkmal Bismarcks, wohl aber das erste Denkmal
Virchows.

Die Ärzte waren ein wenig in der Lage des nor-
wegischen Volkes, das vor seinem Nationaltheater die
Denkmäler von Ibsen und Björnson errichtet wissen
wollte, genau so, wie sie aussahen, unbekümmert um die
Erwägung, ob vielleicht Ibsen skulptural sei.

Man konnte jetzt, anlässlich der Totenfeier vonlbsen,
Abbildungen seines vielleicht etwas steifen, aber, ach, so
ausdrucksvollen, so wahrhaften Denkmals sehen, und
mancher — vielleicht selbst manches Mitglied der
Kommission — gab den Ärzten nachträglich recht, die
den primitiven und berechtigten Wunsch gehabt hatten,
Virchow zu sehen, wie er im Leben gewesen war.

Natürlich wird der pedantische Gedanke, den Dr.
Virchow hatte, sein berühmter Vater könnte, weil man
die Maasse nicht habe, nicht in ganzer Figur dargestellt
werden, keine Gönner bekommen, aber die allgemeine
Richtung derldeen wird die sein, dass sich das allegorische
Denkmal für Virchow, wie es Klimsch, ganz folgerecht,
aber nicht persönlich, entworfen hatte, nicht empfahl.

Es besteht die Gefahr, dass eine der bedeutendsten
Privatsammlungen Europas, die Galerie des kürzlich in

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