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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 4.1906

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Singer, Hans Wolfgang: Die dritte deutsche Kunstgewerbeausstellung in Dresden
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https://doi.org/10.11588/diglit.4390#0486

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DIE DRITTE DEUTSCHE

KUNST GEWERBEAUSSTELLUNG

IN DRESDEN

VON

HANS W. SINGER

ie Leitsätze und Ziele der 3. deut-
schen Kunstgewerbeausstellung sind
genugsam bekannt geworden und
brauchen hier nicht noch einmal
des breitern erörtert zu werden. In-
dem wir einen Blick auf die nunmehr wenigstens
im wesentlichen fertig gewordene Veranstaltung
werfen, möchten wir uns fragen, was erreicht, wie
nahe an das Ziel herangekommen worden ist.

Zunächst fordert die Arbeitsleistung sowie die
Aufopferungsfähigkeit der Veranstalter und anderen
Beteiligten die grösste Hochachtung heraus. Un-
gewöhnlich grosse Anstrengungen sind gemacht
worden, und eine Ausstellung kam zu Stande, die
nicht nur dank ihrem StofFkreise, sondern auch der
fast unübersehbaren Fülle des Gebotenen, das all-
gemeinste Interesse erweckt hat. Was einer Kunst-
ausstellung so schwer gelingt, glückte der heurigen
sofort: sie ist populär geworden. An die zehn
Millionen sollen in dem Unternehmen stecken:
nicht nur die direkt Beteiligten haben keine Mühe
und Kosten gescheut, es gelang ihnen auch ferner,
eine grosse Zahl von Behörden und privaten Be-
stellern zu der Selbstlosigkeit zu bewegen ihr Eigen-
tum auf ein halbes Jahr der Oeffentlichkeit preis-
zugeben. Wer es nicht gesehen hat, wird kaum
eine Ahnung davon haben, was das in gegenwärtigem
Fall heissen will. Es mag schon schwer sein, ein

schönes Gemälde auf so lange herzuleihen und ein
halbes Jahr den leeren Fleck im Zimmer vor Augen
zu haben. Hier lässt man aber ein nach Zehntausen-
den zählendes Publikum in seiner Diele, seinem
Jagd-oder Bücherzimmer herumstapfen, dieThüren
mit den feinen, eingelegten Hölzern betasten, die
Bronzebeschläge abgreifen, und überhaupt alles ab-
nutzen! Denn in der Hauptsache besteht die Aus-
stellung aus einer endlosen Folge einzelner Beispiele
von „Raumkunst", wie die ebenso unschöne wie
unklare Bezeichnung lautet; das heisst, es ist die
Gesamtheit der Künste zum Schmuck eines jeweiligen
Raumes vorgeführt, und dieser Raum, sei es eine
Vortragshalle, sei es ein kleines Damenboudoir,
wird in seinen natürlichen Verhältnissen gezeigt.
Auf der Fläche, auf der es bei der letzten Kunst-
ausstellung im Jahr 1904 neununddreissig Räume
gab, sind diesmal (mit Ein- und Anbauten) 107
zu finden. Das sind eben in der Mehrzahl blosse
Stuben, die bei einem Sonntagsgedränge gar nicht
geschont werden können.

Zu dem Guten, das die Ausstellung für die
deutschen Kunstgewerbler errungen haben wird,
gehört sicherlich, dass sie ihnen zu einem gefestigten
Ansehen verholfen hat. Mit dem Maschinenfabrikat
ist zugleich der Fabrikant, der Ausführende, aus dem
Hauptgebäude verbannt. Der allein Tonangebende,
der selbst als Aussteller auftritt, ist der entwerfende

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