Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 4.1906

DOI Artikel:
Chronik
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4390#0184

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
CHRONIK

NACHRICHTEN, AUSSTELLUNGEN ETC.

Bei Schulte war eine Ausstellung Herkomer. Unter
wie veränderten Zeichen! Ehedem war Herkomer be-
rühmt. Ich erinnere mich, wie mir 1889 der alte Israels
sagte, er hätte ein Porträt gesehen, das von Herkomer
gemalt sei — der reine Frans Hals: so, denke er, „würde
Frans Hals malen, wenn er heute auf die Welt gekommen
wäre". Das sagte der alte Israels, wörtlich! Dies Ge-
spräch hatte drei Jahre, nachdem die Catharina Grant in
Berlin ausgestellt worden war, stattgefunden. Das Bild
aber, mit dem Hubert Herkomer den ernstesten An-
spruch auf Ruhm zu erwerben schien, war „the last
muster", die Darstellung der englischen Invaliden in
ihrer Kirche, bei der Totenfeier für einen der Ihrigen,
ein in jenem Moment wahrhaft gutes Werk.

Die Ausstellung bei Schulte zeigte uns Alterswerke
des Künstlers, der inzwischen eine Allerweltsberühmt-
heit geworden ist und für den die junge Generation
nicht einen Pfennig von Liebe mehr übrig hat. Die
Ausstellung zeigte uns untermittelgute Porträts, ein ent-
setzlich triviales Bildnis eines Herrn im Gehrock mit
seidenen Aufschlägen, das roh hingehauene Bildnis eines

vierzehn- oder fünfzehnjährigen Mädchens und die
Erklärung für alle diese Schandthaten: ein Selbst-
porträt Herkomers mit seiner Frau, der er einen un-
gemein teuren Mantel umbindet, er und sie gehen zu
Hofe. Um den grossen Luxus mitmachen zu können,
muss der Künstler schlecht und recht Geld verdienen.
Nicht ohne Anteil und Mitleid betrachtete man das
Gesicht des Künstlers auf diesem Selbsrporträt. So also
sieht er jetzt aus, das Energische ist in einer gewissen
Weise dem Gesicht erhalten geblieben, die Schönheit ist
davon. Ehedem hatte er beinahe schwärmerisch aus-
gesehen, mit seinem Christusbart. Seit vielen Jahren —
seit einer Reise nach Amerika, auf der er alle die ameri-
kanischen Geschäfts- und Sportsleute bartlos sah — geht
er bartlos. Auch ist der schwärmerische Künstler von
ehedem jetzt mit Orden bedeckt. Er malte sich sogar
mit zu vielen von ihnen, degradierte sein Äusseres zu
dem einer Hofschranze. Man brauchte nicht nur diesen
Beleg, um zu konstatieren, dass er das Schicksal manches
Roturiers geteilt hat, der aus Freude am Glanz das
Wertvollste, das in ihm lag, nicht reif werden lassen
wollte. Mit seinem Instinkt für alles Vornehme hat

177
 
Annotationen