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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 4.1906

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Veth, Jan: Rembrandts Anpassungsart
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https://doi.org/10.11588/diglit.4390#0238

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REMBRANDTS ANPASSUNGSART

VON

JAN VETH1

ÜR den, der sich mit Ernst und
Hingabe in die Kunst eines grossen
Meisters wie Rembrandt vertieft,
wird es bei jedem Schritt, den
er deren eigenstem Wesen näher
kommt, ein Bedürfnis und ein Genuss sein, der
Art seiner Produktion andächtig nachzuspüren.
Man möchte, wenn dies möglich wäre, die Strassen
betreten, durch welche er gegangen ist. Die
Einflüsse möchte man verstehen lernen, welchen
er unterlegen, und vor sich möchte man es sehen,
wie er sich durch diese Einflüsse leiten Hess.
Man möchte die Lehren kennen, welche er
anerkannte, und die, welche er verwarf. Man
möchte den Eindrücken nachgehen, welche er
auf sich wirken Hess, und der Art und Weise,
wie er sie verarbeitete. Seine Entzückungen möchte
man kennen, und den Kampf verfolgen, den er

während der stets kräftigeren Entfaltung und fort-
währenden Klärung seiner Kunst durchkämpfte.
Man möchte nicht nur hinter seiner Staffelei stehen
und die Geschäftigkeit in seiner thätigen und ge-
heimnisvollen Werkstatt beobachten, sondern auch
in der viel geheimnisvolleren Werkstatt von des
Malers Geist das Entstehen und das nach aussen hin
sich Gestalten des Kunstwerkes verfolgen.

Wir alle sehen recht wohl ein, dass dies im
Grunde unmöglich ist. Was wissen wir von der
geistigen Entwicklung des Zeitgenossen, der neben
uns dahinlebt — wie sollten wir da wohl in toten
Dokumenten den Pulsschlag eines Mannes, dessen
Geburt bereits um drei Jahrhunderte hinter i.uns
liegt, noch klopfen hören können?

Aber dennoch; wir haben seine Kunst selber,
die ein lebendiges Zeugnis ist für den, welcher im-
stande ist zu verstehen, und die selber uns am

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