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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 4.1906

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Corinth, Lovis: Thomas Theodor Heine und Münchens Künstlerleben am Ende des vorigen Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.4390#0151

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umschlungen, das teils aus demselben Streben nach
den höchsten Zielen der Kunst — freilich wie sie
jeder für sich verstand — und teils durch das ge-
mütliche ungenierte Leben, das hier möglich ist,
gewebt war.

Heine aber blieb ein Fremder; sein Sarcasmus
und beissenderWitz kennzeichnete ihn schon damals;
seine Aeusserungen wurden fleissig kolportiert, aber
erweckten ihm auch viele Feinde.

Kunstpolitisch waren die münchner Maler,
Bildhauer und Architekten zu einer münchner
Künstler-Genossenschaft vereinigt. Alle vier Jahre
arrangierte diese Gesellschaft eine grosse inter-
nationale Ausstellung im Glaspalast. Je nachdem
eine Arbeit auf diesen Internationalen als die her-
vorragendste angesehen wurde, bestimmte sie die
Mode, und für die nächsten vier Jahre malte sich
ein jeder in dieser Art satt. So
bestimmte durch die Ausstellung
von anno 83 der „Bettler" des
Bastien Lepage die Art und
Weise der münchner Kunst bis
wieder im Jahr 87 andere Ideale
auftauchten.

Gesellschaftlich hatten sich
nebst den Stammtischen in den
verschiedensten Gastwirtschaf-
ten hauptsächlich zwei Vereine
gebildet:

Die „gesellige Vereinigung"
von den Malern kurz das Spital
genannt: ein Anhängsel der
grossen Genossenschaft und die
Allotria, wo Lenbach thronte
umringt von seinen Adjutanten
und dem eignen Vereinsdichter
Gustav Schwabenmaier. Die
Allotrianer bildeten sich schon
lediglich durch ihre Mitglied-
schah ein, etwas höheres zu sein
als jeder andere Sterbliche.
Dieses Vorrecht wurde auch still-
schweigend von den übrigen an-
erkannt.

Dachau und Heimhausen,
Ortschaften in der Nähe Mün-
chens, lieferten seit Jahren den
Malern Anregungen für ihre
impressionistischen Motive; En-
thusiasten pflegten diese Stätten
das bayrische Barbizon und TH. TH. keine, porträt

Fontainebleau zu nennen. Das Freundespaar Dill
und Hölzel aber übersetze diese biedere deutsche
Gegend sogar bis heute in das Schottische. Das war
durch die Internationale von 87 gekommen, wo die
Schotten es den Münchnern angethan hatten. Von
da ab „schottenhammelte" alles, wie man witzelte.
Die rammsnasigen gescheckten Pferde des be-
liebten Lehrers Diez und seine famosen Stegreif-
reiter wurden in elegische Schimmel und augen-
verdrehende fromme Rittersleute umgeändert; so
entstand etwa ein heiliger Georg. Oder die harte
blaue Luft des bayrischen Gebirgsplateaus bekam
auf den Bildern das bewusste tiefe Blau mit hängenden
gelben Wolken, wie man auf den Arbeiten der
Schotten gesehen hatte. Die Modelle, welche so
lange auf das fröhliche Lachen und den drastischen
Habitus von kneipenden Wilderern oder auf das

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