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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 4.1906

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Poppenberg, Felix: Die Berliner Fächerausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.4390#0179

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sich an den Gestellen machen: an den Stabfächern,
die ganz Gestell sind, aus durchbrochenem Elfen-
bein, Perlmutt, Schildpatt, Fischgräte oder „Vernis
Martin" bemaltem und lackiertem Elfenbein,
und an den Faltfächern mit Pergament- und
Seidebespannung, die ihre Griffstäbe und die
beiden Seitendeckplatten kostbar ausstatten in
Schnitzarbeit, Filigrantechnik, mit Inkrustationen,
Juwelenzieraten, Email-Cloisonne und Tauschier-
künsten.

Stabfächer, die in dem freiliegenden Gefüge

das Fächerblatt übertragen. Das war in seiner Art
eine genau so wesenlose Zufallsdekoration als jene
andere der Autogrammfächer mit den Namenszügen
der Tagesgrössen.

Wenn man das Werk der Karlsruher Fächer-
ausstellung, des Denkmals jener Zeit durchblättert,
so fallen als besonders charakteristisch der Fächer
des Tiermalers mit dem riesigen Eisbär auf, und der
Fächer des Marinemalers mit dem wellenumbrandeten
Schiff in schwerer Seenot.

Das Fächerblatt hielt geduldig still zu diesen

HENRI VAN DE VELDE, FÄCHER IN BLASSBLAUER STICKEREI MIT GOLDPAILLETTEN

MIT BEWILLIGUNG VON FRIEDMANN & WEBER

ihrer Glieder etwas sehr Organisches darstellen, die
durch die sichtbare Teilung viel weniger zu miss-
verständlichen Kompositionen verführen als die
Ueberzugfächer mit gespanntem Blatt, sind nur
vereinzelt in der modernen Abteilung. Es scheint,
dass die andere Gattung, die grösseren Kompo-
sitionstakt verlangt, den künstlerischen Ehrgeiz
stärker reizte.

Die Aufgabe, die hier gestellt ist, klarer vor-
zustellen, dienen ein paar amüsante Gegenbeispiele
aus den berühmten siebziger und achtziger Jahren
des neunzehnten Jahrhunderts.

Der „Künstlerfächer" dieser Zeit, an dem sich
alle Modemaler bethätigten, bot meistens nichts
anderes als eine Probe von dem Stoffgenre der be-
treffenden Berühmtheit, wahllos, beziehungslos auf

Ablagerungen, die weder eine stofflich inhalt-
liche Beziehung hatten, noch in ihrer Komposi-
tion der charakteristischen Rundbogenform und
der beweglichen Falteigenschaft des Fächers ent-
sprachen.

Es war zu erwarten, dass die künstlerische Be-
handlung in unseren Tagen konsequenter ihre
dekorative Bethätigung aus dem Wesen, dem Zweck
und den besonderen Kennzeichen des Objekts ab-
leiten würde.

Das findet man auch, mit geringen Ausnahmen,
bestätigt.

Vor allem hat van de Velde die Aufgabe logisch
zu Ende gedacht und dabei Zweiflern bewiesen,
dass die logisch-konstruktive Sprache sehr zart und
lyrisch sein kann.

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