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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 4.1906

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Kesser, Hermann: Kuno Amiet
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https://doi.org/10.11588/diglit.4390#0201

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denen ich die naive Geradheit der charakteristischen
Linie meine.

Amiet ist noch zu sehr von theoretischer Nach-
denklichkeit beschwert, um hier weiter zu gehen
und an Schöpfungen heranzutreten, wo das Schöne
und die Kunst ganz zusammenfallen. Ist es erst soweit,
so wird man dem Aufstehen eines Riesen zuschauen,
eines Künstlers mit reiner Vergangenheit und Ent-
wickelung. Als fertige Werte behaupten sich schon
jetzt seine landschaftlichen Schilderungen, darunter
neben den Sonnenbildern die dekorativen Jurabilder
und die zu ornamentalen farbigen Bildungen wie ge-
schaffenen Winterlandschaften. In zwei Komposi-
tionen von beredtergegenständlicher Bedeutungkün-
digt sich der Formenerfinder an: Es ist sein „kranker
Knabe" und das Triptychon die „Hoffnung", zwei
gedankenschwere Kompositionen, deren Wesen nicht
in dem drückenden Gewicht des Inhalts, sondern
in der adäquaten farbig symbolischen Melodie von

Farbe und Linie zu suchen ist. Eine Probe ein-
fachsten Ausdrucks, der die Erinnerung an antike
Stil-Selbstverständlichkeiten hervorruft, sind die
beiden Mädchen in der ebenmässigen beruhigenden
Rhythmik des ornamentalen Blumenfeldes. Eines der-
jenigenWerke,mit denen der Künstler den Schrittnach
aufwärts macht, den man seinem Können wünscht.

Amiet lebt seit Jahren in der Menschenöde eines
abgelegenen berner Hochdorfes, auf der Oschwand;
nicht als abgespannter Ruhesucher, sondern als
Schöpfer, der in der Isoliertheit dem Zufallsgestalten
aus dem Wege geht, um sich allein seiner quellen-
den Leitung anzuvertrauen.

Das giebt Gewähr für eine sachliche Fortsetzung
seines künstlerischen Baues und sichert ihn vor
Verrenkungen. Er wird sich nie zu Bauerngrob-
heiten versteigen und von den Angefaulten ob
seiner Urkraft bestaunen lassen, er wird gross
stehen, ohne sich in Posen zu werfen.

KUNO AMIET, SCHNEELANDSCtfAF

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