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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 4.1906

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Stengel, Walter: Eine Freilicht-Prophezeihung
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https://doi.org/10.11588/diglit.4390#0212

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gewahr zu werden. Und jedesmal wenn wir dieses
Theater der Sterblichen wieder besuchen, so ge-
schieht es um uns zu freuen, dass die nach uns auf
die Bühne traten, nicht nur von unsrem Vorbild
lernten, sondern auch von unsren Vorurteilen sich
befreiten. Sprecht darum zu mir wie zu einem
Künstler eurer eignen Zeit, der euch fragt, wie ihr
von seinem Werke denkt: Was fehlt diesem Ge-
mälde?"

Hier antwortete der junge Kunstfreund: „So
will ich's euch denn offen sagen, Teniers, und ich
zweifle nicht, ihr werdet mir Recht geben: es fehlt
— der Tages-Licht-Effckt."

„Meiner Treu ich dachte es als Sonnenschein!"

„Gewiss, das war wohl eure Intention. Aber
ich bitt' euch sagt mir, gab es denn nicht klaren
Himmel zu eurer Zeit? Leuchtete der helle blaue
Himmelsäther der Atmosphäre damals nicht so wie
er heute leuchtet? Das ist das Licht, das ich meine
mit dem Ausdruck „Tageslicht" zum Unterschied
von direktem Sonnenschein. Denn ich finde in
der Natur ist es eben dies was den eigentlichen
Sonnenglanz erzeugt, der Widerstreit des goldnen
mit dem Azurlicht. Euer Himmel aber ist so ab-
scheulich bewölkt: wo die Sonne nicht hinblickt
steht alles in dunkelbraunem oder schwarzem
Ton."

„Beim Himmel, ihr habt es getroffen!" Und
indem lief der Geist, seine Brüder zu rufen und
ihnen zu bedeuten, was augenscheinlich keiner je
bedachte.

Ich bemerkte, dass die Gesellschaft in grosse
Aufregung geriet. Doch es dauerte nicht lange
und Teniers stellte den modernen Kritiker vor.
Alle schüttelten ihm die Hand. Besonders Rem-
brandt schien sie ihm so fest zu pressen, dass ich
mir dachte, der Herr müsse den Druck wohl ge-
spürt haben.

„Was!" rief der Schwarze Geist, „ihr seid der
kecke Moderne, der Rubens' Glanz und Pracht
hier anklagen darf, dass er, von seinen dunklen
herbstlichen Schatten das Azurlicht des Tages aus-
schloss?"

„Ich muss gestehen", unterbrach ihn Peter Paul,
„die Anklage geschieht zu Recht. Ich bedachte das
leider nie und wäre des Winkes froh gewesen, ein
wenig früher."

„O Rubens!" rief da eine Stimme, und ein
Maler drängte sich vor, dem ich einmal zu einem
Porträt hatte sitzen müssen. „Habt die Güte und
sagt mir euer Rezept, Gemälde herzustellen. Mal-

tet ihr auf einen Grund von braunem Helldunkel
oder wie?"

„Fragt meinen Schüler Vandyck, der wird es
wissen."

„Wie? Ist Vandyck selber hier? Göttlicher Herr
Antonius! Sagt mir, wie war euer Verfahren, als
ihr das wundervolle Bild hier maltet: „König Karl
zu Pferde"?

„Lasst mich den Herrn aufklären," sagte Teniers.
„Ich weiss genau wie es zuging. Das Verfahren
war freilich sonderbar. Ihr müsst nämlich wissen,
dass mein Freund, Herr Antonius, bei Reiterporträts
die Gepflogenheit hatte, seine Staffelei im Stalle
aufzustellen, dem Pferde zu Liebe natürlich. Und
um eine Hintergrundslandschaft zu haben, spritzte
er am Tage vor der Sitzung die Farben von Him-
mel und Bäumen auf die Wand des Stalles. Die
Sache war also wie ihr seht ziemlich einfach."

„Aber das Helldunkel? die Schatten, Herr
Antonius?"

„Die Schatten," versetzte dieser vornehme Geist,
„ich muss es offen gestehen, wurden alle mit der
Farbe bestritten, die ihr mir zu Ehren Vandyck-
braun nennt."

„Ja, ja mein trefflicher Schüler!" sagte da Ru-
bens und klopfte Vandyck auf die Schulter, „ich
sehe wohl ihr folgtet getreulich meiner Me-
thode."

Teniers fiel ihm ins Wort: „Gewiss! Rubens'
Reiterporträt des Herzogs von Buckingham, das
drüben hängt, wurde ja akkurat so gemacht. Ihr
könnt, mein verehrter Vandyck, auf dem üppigen
Busen dieser blonden Göttin, die da dem Pferde
voranfliegt, euer eignes Lieblingsbraun bemerken.
Doch ich möchte über alles gern wissen was für
eine Farbe wohl unser Freund Rembrandt für seinen
„Marschall Turenne" gebraucht haben könnte?"

„Nun, wenn ihr es denn durchaus wissen
müsst," versetzte der Schwarze Geist in trocknem
Ton. „Ich hatte ein famoses Mittel, die Schatten des
Stalles in mein Reiterporträt hineinzubringen. Ich
versah nämlich meine Palette mit dem schwärzesten
. . ., den ich dort im Stalle fand."

„Pfui!" unterbrach ihn der höfische Vandyck,
sein feines Gesicht zu einer Grimasse verziehend,
und wandte dem Bilde den Rücken.

„Hm! Ich dachte mir schon so etwas," mur-
melte ein kleiner gemein aussehender und ganz
pockennarbiger holländischer Geist, dessen Namen
mir weder Teniers noch Vandyck angeben konnten.

„Wo steckt Cuyp die ganze Zeit über? rief

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