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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 4.1906

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Lithographien von P. Bonnard
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https://doi.org/10.11588/diglit.4390#0231

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nische Zweige hängen dazu nieder (Seite 211).
Ein merkwürdig gleichmässig durchkomponiertes
Blatt ist die Scene, wie Kühe aus einem Schiff sich
in die aufschäumenden Wogen stürzen (Seite 63).

Und immer, das ist die „piece de resistance",
immer sehen wir zwischendurch eine von den
sonnigen Landschaften, die uns Renoir hat geniessen
lehren, Landschaften, an denen wir uns auffrischen,
und die abwechslungsreich sind.

Das Gesetz des Buches ist überall gewahrt. Es
mögen Zeichnungen vorkommen, bei denen es
Bonnard „zu langweilig wurde" oder bei denen
er selbst erschöpft war. Es giebt aber keine Litho-
graphie im Buche, die nicht immer sich merkwürdig
gut dem Satzbilde anschmiegte. Der Anblick der
Seite, das Verhältnis der Lithographie zum Text ist
immer gut. Alles, was das Verhältnis der Tonstärke
in den lithographischen Zeichnungen zu dem Bilde
der Lettern betrifft, ist ausgezeichnet.

Noch von einem Stil-Element muss man bei
dem Buche reden. Es zeigt sich besonders in dem
Blatt auf Seite 1 o 1 des Buches.

Das Blatt ist recht gut mit seinen in breitem
Gefüge melodisch sich heranschlängelnden Wellen,
der dunklen Ferne des Meers; mit seinem Kreide-
felsen und mit der über den Wolken sicht-
bar werdenden blauen Luft. Glänzend ist hinten

ein im Seewind eilender Jüngling gezeichnet,
bei dem man beachtet, wie gut er läuft.
(Schlecht sind in der Ferne einige Figuren ge-
zeichnet, die wie Oberkellner aussehen, welche
mit den Servietten unterm Arm einen Gast, der
seine Rechnung noch nicht bezahlt hat, verfolgen.)
Doch sieht man das alles kaum. Worauf der Blick
haftet, das sind die erzählenden Konture bei der
Gruppe im Mittelgrund: Daphnis wird von einigen
Jünglingen gefangen genommen. — Der eine rechts
ist voll graziöser Behutsamkeit, Daphnis ist empört
und bewegt sich ungeschickt, — am weitesten links
lehnt sich einer bloss an, wie ein Pierrot. — Am
meisten bewundere ich die Zickzacklinie an dem
Arm von Daphnis: hier krystallisiert sich die Hand-
lung. Diese Linien finden sich nun aber in einem
Milieu von Pleinairbeleuchtung und ordnen sich
dem Tongefüge unter, ja, sie sind derart gemacht,
dass sie von ihrem Zwecke unabhängig auch als
Tonbelebungsmittel wirken. Der Künstler liess
hier also zwei Systeme des Sehens nebeneinander
und ineinander wirken. Er hat Konture, ohne dass
doch das Blatt — eine Konturzeichnung ist. Durch
eine Art von stenographierender Geschwindigkeit
des Andeutens schlüpfte er über die Widersprüche,
welche in der Benutzung zweier verschiedener
Systeme der Betrachtungsweise liegen, hinweg. Et-
was von dieser Doppelsprachigkeit ist auch auf
manchen andern Lithographien des geistreich illu-
strierten Buchs zum Ausdruck gekommen. H.





: "Mm.

Rüffel M< jf

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