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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 4.1906

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Scheffler, Karl: Adolf Hildebrandt
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https://doi.org/10.11588/diglit.4390#0330

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ADOLF HILDEBRAND, DAS BRAHMS-DENKMAL

Wirkungsmöglichkeiten, wenn sie verzichtet, un-
mittelbare Lebensbeziehungen zwischen Werk und
Betrachter zu knüpfen? Einst war sie untrennbar
von der Baukunst und schuf unsterbliche Werte
als deren Genossin. Seit sie sich hat emanzipieren
müssen, weil es eine Baukunst, die noch lebendig
genug oder die schon reif genug wäre, um der
Plastik würdige Aufgaben zu stellen, nicht giebt,
bleibt dem Bildhauer nur übrig, seine Thätigkeit zu
spiritualisieren, ein Interieurkünstler zu werden
oder sich im Kunstgewerblichen ruhmlos zu ver-
lieren. Statt des Monumentalen muss er das Intime
suchen und dabei wird das Beste der reichen Tra-
ditionskraft aufgeopfert. Die einzigen Aufgaben,
die heute noch den Trieb zur Monumentalität
reizen können, liegen in der Denkmalsplastik; aber
innerhalb dieses Gebietes ist ein künstlerischer Er-
folg nur zu erzielen, wenn der Bildhauer zugleich
ein bedeutender Baukünstler ist. In dem Wirkungs-
kreis der Plastik dagegen, der heute vor allem in
Frage kommt, wird so starke Unmittelbarkeit des
Ausdrucks verlangt, dass die Grenzen des skulptural
Darstellbaren fortwährend berührt und oft auch
überschritten werden. Plastik, die zu irgend welchen
Raumverhältnissen Beziehung nicht mehr hat, die
das künstlerisch übersetzte Leben nicht einmal so
isolieren kann, wie es beim Wandbild durch den
Rahmen geschieht, muss notwendig die architek-
tonische Haltung verlieren und malerisch psycho-
logisch werden, muss durch poetisierende und
charakterisierende Absicht ersetzen, was sie an de-
korativen Elementen aufgicbt und die reichen
Ueberlieferungen architektonischer Natur ungenutzt
lassen. Diese Situation hat schon die geistige

Physiognomie des Bildhauers verändert. Proble-
matischen Naturen, faustischen Temperamenten,
die früher zu den ganz seltenen Ausnahmen zählten,
begegnet man immer häufiger in der Skulptur. Da
feste Normen, ganz lebendig eindeutige Konven-
tionen nicht mehr gelten, entscheidet allein Art und
Grad des Talentes über die Resultate. Auf Schritt
und Tritt hat der Künstler Fallgruben zu vermeiden.
Einerseits drohen die Gefahren der Schranken- und
Formlosigkeit; auf der andern Seite ist zu fürchten,
dass eine Anlehnung an bewährte Ueberlieferungen,
bei veränderten Zielen, die unmittelbare Ausdrucks-
kraft schwäche. Die strenge Stilhaltung wird leicht
unmotiviert erscheinen, weil die Architektur fehlt,
die sie legitimieren würde; und die vollstän-
dige Hingabe an Versuche, Natureindrücke und
Lebensgefühle unmittelbar lebendig in einem sehr
widerstrebenden Material zum Ausdruck zu bringen,
wird dem Werk leicht die notwendigste formale
Würde rauben. Für keinen Künstler ist das moderne
Kunstproblem noch so dunkel, wie für den Bild-
hauer. Seit der Barockzeit, das heisst: seit dem Er-
löschen der architektonischen Produktionskraft, ist
kein Bildhauer-Werk mehr entstanden, vor dem
man nicht, bei aller Bewunderung und Liebe, mit
einem Aber die Betrachtung schliessen müsste. Ro-
din muss sicher ein Genie genannt werden; aber
auch seinem Gesamtwerk haftet etwas Problema-
tisches an. Er ist verdammt nach der einen Seite
zuviel zu thun, während Hildebrand nicht anders
kann, als nach der andern Seite zu übertreiben.

Der Eigenart Hildebrands scheint das architek-
tonische Gesetz der Skulptur zu wichtig, als dass
es unter irgend welchen Umständen aufgegeben

JZ.Z
 
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