Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 4.1906

DOI Artikel:
Die Jahrhundertsausstellung in der Nationalgalerie, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4390#0360

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
zum königlichen Schlosse;
treppaufwärts stehen hohe Mi-
litärs und Diplomaten, oben
befindet sich der König und
erhebt die Hand zum Schwur.
Auf dem Dach eines Bürger-
hauses häuften sich Menschen,
andere blicken aus denFenstern,
und Wimpel wehen von hohen
Fahnenstangen, und weithin
über die Schlossbrücke weg
gewahren wir die Linden, mit
einer kompakten Menschen-
masse gefüllt, die von den
Strahlen des Sonnenlichts ge-
gliedert wird. Und diese Masse
ist so richtig in der Valeur, und
die Häuser stehen so richtig
im Luftraum; das Ganze ist so
richtig, wiewohl etwas lang-
weilig als Malerei genommen:
dass man im guten und im
weniger guten Sinne an Cana-
letto denkt. Die Malerei inter-
essiert nicht unbedingt, nur be-
dingt; worauf der Blick bei
dieser grossartigen Talent-
leistung Krügers verweilt, das
ist das Kulturgeschichtliche,
das sind die Details des Vor-
dergrunds, die einzelnen Fi-
guren, die liebevoll gemalt
und zum grossen Teil Porträts
sind, die wir wiedererkennen—
und die sich, trotz der Genauig-
keit im Ausdruck und dem zum
Teil Humoristischen ihrer Cha-
rakterisierung, unauffällig beim Weiterzurücktreten
mit der Gesamtheit des Bildes im Ton verbinden.
Bei der „Parade auf dem Opernplatz" fesselt
wiederum die wundervolle Detailmalerei der zu-
schauenden Bürger. Man denkt an Waldmüllers
Porträts, auch an Friths Schilderungen vom eng-
lischen Derby tag. Man staunt vor der feinen Zeich-
nung und den delikaten Einzelschilderungen der
Köpfe,nebendem Ausdruck auch über ihrHelldunkel.
Schinkel erblicken wir in der Reihe dargestellt, und
freuen unsseiner tüchtigen,preussischen Erscheinung.
Wir sehen wohlhabende Edelleute, behagliche Bürger
in stillhaltenden offenen Wagen das Schauspiel be-
trachtend. Der militärische Vorgang ist etwas steif,

FRANZ KRUGER, AUSRITT DES PRINZEN WILHELM IN BEGLEITUNG DES MALERS FRANZ KRUGER

MIT GENEHMIGUNG VON F. BRUCKMANN, MÜNCHEN

panoramenhaft dargestellt, die Soldaten sind hier
vielleicht so gemalt, wie es nicht im Bereiche hoher
Kunst erwartet wird, sondern eher auf Schilderungen
vorkommt. . . . Ein kleiner Junge vorne, der Hunde
führt, ist etwas absichtlich arrangiert. . . . Ein
kleines Bisschen schränkt sich unsere Bewunderung
für Krügers Kunsthöhe ein. . . . Vor der Tüchtigkeit
seines Könnens verstummt unsere Klage rasch.

Krügers grosses Reiterporträt von Friedrich
Wilhelm III. ist in bürgerlichem Helldunkel ge-
halten, hinten der Blick auf die Stadt ist voll plasti-
scher Klarheit. Das enorme Quantum von Kon-

15*
 
Annotationen