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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 4.1906

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In London hat sich eineVasari-Gesellschaft gebildet,
die nach ihrem Prospekt es sich zur Aufgabe macht, das
Studium der Handzeichnungen in England zu beleben
und zu fördern. Die Gesellschaft hat bereits jetzt am
Beginn ihres Wirkens 300 Mitglieder.

*

Die Ausstellung Schulte hat sich in bedeutend ver-
größertem Umfang ihrer früheren Stätte schräg gegen-
über niedergelassen. Die Säle sind von Messel ent-
worfen, von Deutschlands erfolgreichstem Architekten,
das Gebäude und die Säle finden jedoch nicht jenen Bei-
fall, der sonst Messeis Schöpfungen begleitet. H.

Im Charlottenburger Rathaus hat die junge Ver-
einigung „Werkring" eine Ausstellung von Möbeln und
dekorativer Kleinkunst veranstaltet. Wirkliche Raum-
kunst, die heut wichtiger ist als die Komposition einzelner
Stücke, konnte bei dieser improvisierten Darbietung
nicht gezeigt werden. Es handelt sich hier mehr um
Detail und Requisiten des Interieurs. In einer gut ab-
gestimmten Gruppierung stellt sich das in dem grossen
Saal, der nach oben in Zimmerhöhe durch helle Bespan-
nung abgeblendet ist, dar.

Das mild gedämpfte Licht dieses Mediums, warm
abgetönt durch die den Monumentalfenstern vorge-
schobene Längswand der farbigen Scheiben von Kurt
Stoeving, giebt den Möbelgruppenbildern eine weich
um Holz und Stoffe spielende Atmosphäre. Fragt man
dieser Möbelarchitektur ihre Tendenzen und Neigungen
ab, so lässt sich ein grösseres Bestreben nach schmuck-
hafter Ausbildung konstatieren. Aber das ist kein Rück-
fall in dem leeren äusserlichen Ausputz, sondern der
Schmuck ergiebt sich aus der Konstruktion, er dient
innerhalb des Gefüges, er übernimmt die Rolle betonen-
der Accente. Und es ist bezeichnend, dass für das Holz
der materialgemässe Schmuck der Einlegearbeit bevor-
zugt wird, der Intarsia, die ausserdem nie bildlich-
malerisch sich gebärdet, sondern immerflächig als kolo-
ristisches Lichterspiel behandelt wird. Eine Klavierwand
von Kurt Stoeving erhält eine leuchtende Pointierung
durch eingesetzte Perlmutterstücke, und ihre Dispo-
sition wird organisch aus den Motiven der Maserungs-
wellen entwickelt. Auf Tischflächen betont die Intarsia,
als Kranzvignette den Rand. An den Masswerkleisten der
Armlehnen Rudolf Willescher Fauteuils verschlingen
sich durchbrochene Kreise aus schwarzem und hellem
Holz, und diese Schwarz-Weisskunst wird schimmernd
belebt durch versprengte Perlmuttsplitter. Sitzmöbel
sind das, sehr kultiviert und komfortgerecht. Die be-
stimmende Vorzeichnung für die meisten dieser Möbel
ist die wienerisch-schottische Note. Sehr an Makintosh
erinnert der Flügel-Altar-Schreibschrank von Gessner mit

seinen Email-Zierstücken auf der Vorderseite derThüren
und den Intarsienlinienwerk auf der hellen Innenfläche.

Ein Gegenbeispiel missverstandener irregeleiteter
Makintosh-Triebe erschreckt den wohlwollenden Möbel-
pilger in dem fatalen Bücherschrank von Sepp Kaiser aus
violett gebeiztem Holz mit hellgrünen und schwarzen
geometrischen Intarsia-Ornamenten und dem ungefüge
als Mittelpfosten hineingekeilten weisslackierten Kasten,
der einem Eisspind gleicht.

Nicht glücklich finde ich auch die vergoldeten Möbel
von Stoeving. Für die Vitrine geht der Feierlichkeitsstil
noch an, bei Gebrauchsmöbeln, wie Anrichte- und
Serviertischen hat er etwas schiefes, und ein noch
schwererer Einwand ist, dass die Vergoldung nicht einmal
im Ton edel wirkt, kein Vergleich mit dem vornehmen
Ton französischer Königstile, sondern peinlich mesquin.

Unangenehm berühren auch die ,,Kunst-Emaillen"
von C. C. Schirm. Sie haben etwas in schlechtem Sinne
Industrielles, ihre Koloristik ist ohne tiefen brennenden
Schmelz; flach, blechern wirkt ihrfaderGlanz. Es ist nicht
künstlerische, es ist Kunst-Emaille. Zwei gelungene
Schmuckstücke von Mohrbutter zeigen dafür die Quali-
täten wirklich artistischer Schmelzkoloristik. Zwei An-
hänger sind es: Silberplatten, die als Füllung Käfer
tragen, der eine grün irisierend mit metallischen Re-
flexen, der andere in einer grau-weissen Marmorierung
der Flügeldecken.

Gutes ist von manchen Einzelrequisiten zu sagen.

Die grossen Beleuchtungskörper von Koernig ver-
binden gelungen Würde und Anmut. Sie sind frei-
stehende hohe Kandelaber, freizügig entwickeln sie als
Baumstilisierung ihre Grösse in organischem Aufwuchs.
Der Schaft verzweigt sich oben zu einer reich geglieder-
ten und füllig ausstrahlenden Krone, an der traubig als
Früchte die Glühglocken sitzen. ,

Auch einige Tischlampen Grenanders sind in ihrer
schlichten Konstruktion erfreulich. Sie haben die rein-
liche Anmut des Technischen. Die ovale Glocke schwebt
zwischen zwei schlanken glatten Trägern, und die Mon-
tierung, die sie am oberen Ende hält, ist durchbrochenes
Metallflechtwerk, zwischen dessen mattgelben Maschen
das graue Milchglas hindurch schimmert. Ausgezeichnet
ist die Keramik vertreten. Die königliche Manufaktur
darf sehr froh sein, jetzt durch die geschmackssicheren
und delikaten Arbeiten von Schmuz-Baudihs repräsen-
tiert zu werden.

Sie zeigen entfernte Verwandtschaft mit Kopen-
hagen. Aber es ist weniger Beeinflussung als ähnliche
Artung und die gleiche Technik der Unterglasurmalerei.
Schmuz-Baudihs liebt natürlich auch die Übergangstöne,
er lässt gern seine Gefässe von einer Farbe in ihren
Nuancenschattierungen überhaucht werden, im Orna-
ment aber giebt er der strengeren Ordnung den Vorzug
vor der japanischen Impression, die für gewisse Jahr-
gänge der dänischen Porzellane charakteristisch ist.

Felix Poppenberg

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