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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 4.1906

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Kolloff, Eduard: Rembrandts Kolorit und Farbentechnik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4390#0469

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oder Gold anstatt des Blutes sich mit der Säfte-
masse vermischt und eine gleichmässige Wärme
über den ganzen Körper verbreitet hätten. Die
Wahrheit des Rembrandtschen Kolorits ist also
nicht durch eine strenge Vergleichung mit der
Farbe der Gegenstände ausser dem Gemälde zu
suchen: man muss nur gewisse allgemeine Ideen
von den Farben, wodurch sich die Gegenstände in
der Natur unterscheiden, mit zu dem Anblick der
Gemälde hinzubringen und sich dann von der
Wahrheit der Farbe eines jeden Gegenstandes im
Gemälde durch den Kontrast überzeugen. Wenn
man z. B. von einer Figur in Rembrandts Bildern
eine einzelne Wange ansieht und das übrige be-
deckt, so wird diese Wange vielleicht nicht als
wahres Fleisch erscheinen; wenn man sie aber gegen
die andern Teile des Gesichts oder gar gegen Haare
und Gewand hält, so macht sie den Eindruck von
lebendigem Fleisch. Was ihn auch hier über alle
diejenigen Maler setzt, welche durch bunte Farben-
spiele zu gefallen und zu blenden gesucht haben,
ist dies, dass er wirklich bezaubert, dass der Glanz
seines Kolorits mit Stärke und Harmonie verbun-
den ist. Dabei hat sein Helldunkel einen unbe-
schreiblichen Reiz und eine wahrhaft magische
Anziehungskraft.

Nach der ebenso geistreichen als treffenden
Bemerkung eines feinen Kunstkenners ist Rem-
brandt hinsichtlich des Helldunkels der hollän-
dische Correggio, der jedoch zu dem italienischen
in umgekehrtem Verhältnis steht, indem bei diesem
das Licht und eine allgemeine Helligkeit, worin
alles strahlt, bei jenem hingegen der Schatten und
eine allgemeine Dunkelheit, woraus nur einzelnes
in starker Beleuchtung hervorspringt, die vorwal-
tenden Elemente sind. Von allen" Naturerschei-
nungen hat das Licht die beiden Meister vorzüg-
lich beschäftigt; aber bei Rembrandt ist es nicht
die lautere Reinheit des Lichtes, sondern das reiz-
volle Gemisch von Licht und Dunkel, worin sich
die Aussenwelt durch seine Anschauung hindurch
bewegt, Wie das Licht mit Blitzesschlägen er-
hellend durch das Dunkel fährt und die Finsternis mit
einbrechender Gewalt besiegt und mit eindringen-
der Kraft besänftigt, das ist das materielle Problem,
womit er beinahe fünfzig Jahre lang, den Pinsel in
der Hand, sich rastlos gemessen und welches er auf
wunderbare Weise gelöst hat. Es ist daher in
seinen Bildern gewöhnlich Nacht oder Dämmerung,
in die er einen Strahl der glühenden Abendsonne
oder des blassen Mondlichts, den Schein brennen-

der Kerzen oder Fackeln, oft auch das poetische
Licht seiner Phantasie hineinfallen lässt, welches
mit den himmlischen und irdischen Lichtern um
den Vorrang streitet. Das ist unseres Meisters
wahrer Balg; mit dergleichen nagelneuen, höchst
seltsamen, pikanten Lichtwirkungen überrascht
und überfällt er immer seinen Mann. Er trägt, so-
zusagen, Blendlaternen unter seinem Mantel, die
er plötzlich hervorzieht und uns ins Gesicht hält,
dass wir anfangs vor lauter Schimmer fast nichts
sehen können. Es ist, als ob wir in ein tiefes,
düsteres Zimmer hineintreten, welches eine
flackernde Flamme spärlich erleuchtet, und wo
wir nicht sogleich alle Gegenstände übersehen
können; das Auge muss sich erst an das gegebene
Mass von Licht gewöhnen, bis es aus der dunkeln
Masse, worin zuerst das Ganze verschwamm, all-
mählich das einzelne mit bestimmtem Umriss und
Dasein herauserkennt. Reynolds will bemerkt
haben, dass die venetianischen Maler auf ihren
Bildern durchgängig bloss ein Viertel dem Lichte,
ein anderes Viertel dem stärksten Schatten und das
übrige den Halbtönen einräumten; dass Rubens
mehr als ein Viertel von seinen Gemälden dem
Lichte auszusetzen pflegte, Rembrandt hingegen
viel weniger, nämlich höchstens ein Achtel. Daraus
erklärt sich, dass Rembrandt den Ort der Hand-
lung so gern ins Innere von Kirchen, Grotten, ge-
wölbten, kellerartigen Räumen verlegt, wo die
Finsternis als vorherrschendes Element nur stellen-
weise das Licht siegreich walten lässt.

Die Wirkung des Helldunkeln ist für Rem-
brandt das Hauptmittel zur Geltendmachung seiner
malerischen Zwecke, und das Hauptstück, welchem
die andern Teile der Malerei sich mehr oder weniger
unterordnen und fügen müssen. Er sucht vor allen
Dingen die Fläche, worauf er malt, zu vertiefen
und den Gegenstand der Darstellung aus der Tiefe
hervortreten zu lassen. Damit meinen wir jedoch
nicht die von vielen Kunstschriftstellern als sehr
wichtig betrachtete Eigenschaft, die Gegenstände
abzuheben und den Gestalten ein frappantes Relief
zu geben. Das war nicht die Sache, worauf Rem-
brandt vorzüglich ausging. Weit unbedeutendere
Maler verstanden sich viel besser auf diesen Effekt,
der bei den alten Meistern sehr hoch angesehen
war, wie er es noch bei einigen Liebhabern ist, die
ein ganz besonderes Wohlgefallen verspüren, wenn
sie eine Figur antreffen, um die sie, sozusagen,
herumgehen können. Eine solche Art von Illusion
verträgt sich nicht mit der Gesamthaltung, die sich

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