6. Rottmann und die Romantik.
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dacht: das naturalistische Kreilichtproblem. Zunächst gilt es daher nun eine
Auseinandersetzung der Rottmannschen biunstweise mit jener der Roman-
tiker. Es gibt etwa vier Berührungspunkte Rottmanns mit der Romantik.
Teilweise haben wir sie schon gestreift. Oas erste ist: sein „Lrzählen geologischer
vorgänge", wie Vagersdorfer es nennt. Oas ist natürlich die von Larus in
seinen „Briefen über die Landschaftsmalerei" geforderte geognostische Land-
schafv. Oann ist es zweitens die herausarbeitung der Stimmung einer
Landschaft, was Rottmann von den Romantikern geborgt hat. R7an braucht
ja nur irgendeine Landschaft Rottmanns neben eine der kühlen Rompositionen
I. R. Rochs zu stellen! Oie romantische Ztimmungslandschaft war überhaupt,
wie wir gesehen haben, in der voritalienischen Zeit Rottmanns eigentliches
Zeld. Es waren fast stets aufgeregte Gewitterstimmungen oder schwermütige
Zonnenuntergänge. Oiese Ztimmung konnte er aber nur hervorbringen, weil
er gleichzeitig eine dritte Rnleihe bei den Romantikern machte: Er verwendete
die schon früh im Zinne der Romantiker und Realisten — was in diesem Zall
merkwürdigerweise dasselbe ist — geübten Licht-, Luft- und Zarben-
studien dazu. Lchlietzlich und viertens ist es die Ltaffage, die bei Rottmann
nicht mehr, wie noch bei Roch, eine heroische und historische ist, sondern eine
alltägliche, entsprechend der Zorderung von Larus, der sich gegen die will-
kürliche Verwendung mgthologischer Ziguren in der Landschaft ausspricht^, und
der verlangt, datz die Landschaft das belebte Geschöpf bestimmen müsse, so lange
die Landschaft Landschaft bleiben will und sol?.
Rber Rottmann war Rlassizist und kein Romantiker. Und wenn er das
alles von den Romantikern übernahm, so war das wie ein Erbstück, das ihm
eben zugefallen. lVäre Roch ein Rlenschenalter später geboren, ihm hätten die-
selben künstlerischen Uusdrucksmittel zur verfügung gestanden wie jetzt Rott-
mann. Jn welchem Geiste jedoch Rottmann dieses Erbstück verwaltet, das gibt
den Uusschlag. Nicht im Linne der Lrblasser, sondern im gegenteiligen.
Gewitz, auch Rottmann schildert „Erdleben" gleich den Romantikern und
sogar auf fast wissenschaftlich geologischer Grundlage, wie Earus es fordert,
der von einer „hervorbildung von neuerer Runst aus lvissenschaft" spricht
(5. 163). Uber keineswegs die „sich unendlich durchkreuzenden Lebensregungen
der Erde, ihrer Utmosphäre, ihrer Gewässer und ihrer lebendigen Linzelwesen"h
nicht „die rastlose verwandlung aller Erscheinung"°, das verwehende lveben
und Leben im lvalde und auf der heide, wie es ständig wird und wechselt und
vergeht,- er bietet nicht „die Ruffassung eines Rloments, eines Leben-
Rugenblicks aus freier Natur"6, nein, Rottmann sucht auch hier das urtüm-
Nomantiker keine Gleichung bilden, hat E b er l ein in seinem lehrreichen Nufsatz im Iahrbuch der Goethegesellschaft
8. l4(ld28), Goethe und die bildende Uunst der Romantik, vollkommen richtig gesehen. Seine Veobachtung, datz in
Larur' Vriefen über Landschaftsmalerei zwei gan; verschiedene Lchichten und Nuffassungen übereinander gelagert
sind, hat Urautz, wie man im folgenden sieht, vorweggenommen, die romantische Schicht im engeren Oresdener Sinn
und die Goethesche. Larus' Vriefe liegen jetzt in einer illustrierten Neuausgabe von Lurt Gerstenberg vor.s
' Lriefe über Landschaftsmalerei, geschrieben in den Jahren 1815—1835 von L. G. Larus. Zweite durch
einen Brief und einige Beilagen vermehrte Nusgabe (Leipzig 1835), 5. 176.
- Lbenda S. 237. ^ Ebenda 5. 53 u. 120. ^ Ebenda S. 115. ^ Ebenda S. 254. " Ebenda S. 256.
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dacht: das naturalistische Kreilichtproblem. Zunächst gilt es daher nun eine
Auseinandersetzung der Rottmannschen biunstweise mit jener der Roman-
tiker. Es gibt etwa vier Berührungspunkte Rottmanns mit der Romantik.
Teilweise haben wir sie schon gestreift. Oas erste ist: sein „Lrzählen geologischer
vorgänge", wie Vagersdorfer es nennt. Oas ist natürlich die von Larus in
seinen „Briefen über die Landschaftsmalerei" geforderte geognostische Land-
schafv. Oann ist es zweitens die herausarbeitung der Stimmung einer
Landschaft, was Rottmann von den Romantikern geborgt hat. R7an braucht
ja nur irgendeine Landschaft Rottmanns neben eine der kühlen Rompositionen
I. R. Rochs zu stellen! Oie romantische Ztimmungslandschaft war überhaupt,
wie wir gesehen haben, in der voritalienischen Zeit Rottmanns eigentliches
Zeld. Es waren fast stets aufgeregte Gewitterstimmungen oder schwermütige
Zonnenuntergänge. Oiese Ztimmung konnte er aber nur hervorbringen, weil
er gleichzeitig eine dritte Rnleihe bei den Romantikern machte: Er verwendete
die schon früh im Zinne der Romantiker und Realisten — was in diesem Zall
merkwürdigerweise dasselbe ist — geübten Licht-, Luft- und Zarben-
studien dazu. Lchlietzlich und viertens ist es die Ltaffage, die bei Rottmann
nicht mehr, wie noch bei Roch, eine heroische und historische ist, sondern eine
alltägliche, entsprechend der Zorderung von Larus, der sich gegen die will-
kürliche Verwendung mgthologischer Ziguren in der Landschaft ausspricht^, und
der verlangt, datz die Landschaft das belebte Geschöpf bestimmen müsse, so lange
die Landschaft Landschaft bleiben will und sol?.
Rber Rottmann war Rlassizist und kein Romantiker. Und wenn er das
alles von den Romantikern übernahm, so war das wie ein Erbstück, das ihm
eben zugefallen. lVäre Roch ein Rlenschenalter später geboren, ihm hätten die-
selben künstlerischen Uusdrucksmittel zur verfügung gestanden wie jetzt Rott-
mann. Jn welchem Geiste jedoch Rottmann dieses Erbstück verwaltet, das gibt
den Uusschlag. Nicht im Linne der Lrblasser, sondern im gegenteiligen.
Gewitz, auch Rottmann schildert „Erdleben" gleich den Romantikern und
sogar auf fast wissenschaftlich geologischer Grundlage, wie Earus es fordert,
der von einer „hervorbildung von neuerer Runst aus lvissenschaft" spricht
(5. 163). Uber keineswegs die „sich unendlich durchkreuzenden Lebensregungen
der Erde, ihrer Utmosphäre, ihrer Gewässer und ihrer lebendigen Linzelwesen"h
nicht „die rastlose verwandlung aller Erscheinung"°, das verwehende lveben
und Leben im lvalde und auf der heide, wie es ständig wird und wechselt und
vergeht,- er bietet nicht „die Ruffassung eines Rloments, eines Leben-
Rugenblicks aus freier Natur"6, nein, Rottmann sucht auch hier das urtüm-
Nomantiker keine Gleichung bilden, hat E b er l ein in seinem lehrreichen Nufsatz im Iahrbuch der Goethegesellschaft
8. l4(ld28), Goethe und die bildende Uunst der Romantik, vollkommen richtig gesehen. Seine Veobachtung, datz in
Larur' Vriefen über Landschaftsmalerei zwei gan; verschiedene Lchichten und Nuffassungen übereinander gelagert
sind, hat Urautz, wie man im folgenden sieht, vorweggenommen, die romantische Schicht im engeren Oresdener Sinn
und die Goethesche. Larus' Vriefe liegen jetzt in einer illustrierten Neuausgabe von Lurt Gerstenberg vor.s
' Lriefe über Landschaftsmalerei, geschrieben in den Jahren 1815—1835 von L. G. Larus. Zweite durch
einen Brief und einige Beilagen vermehrte Nusgabe (Leipzig 1835), 5. 176.
- Lbenda S. 237. ^ Ebenda 5. 53 u. 120. ^ Ebenda S. 115. ^ Ebenda S. 254. " Ebenda S. 256.