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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 49.1898-1899

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Halm, Philipp Maria: Nikolaus Gysis
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https://doi.org/10.11588/diglit.7000#0022

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Nikolaus Gysis.

8. kiandsludie von Nrk. Gysis.

mit Aünstlerblick die Aunst, grüble nicht —
genieße!

In allen allegorischen Entwürfen von N. Gysis
liegt ein tiefer Sinn, zu dessen Ergründung es nur
eines andächtigen, ruhig überlegenden Beschauens
bedarf, von der grübelnden Mystik des Mittel-
alters, von den räthfelhaft symbolistischen Malereien,
wie sie vielfach die Freskomaler des f8. Jahrhunderts
als Beiwerk der Pauptbilder beliebten, gleich weit
entfernt wie von den platten, immer und immer
das Gleiche bietenden Allegorieen der Neuzeit, sind
Gysis' Schöpfungen in ihrer Idee durchaus ab-
geklärte Aompositionen, die ihre tiefen Gedanken
offen und klar aussprechen, ohne auch nur einmal
in das Alltägliche, Aonventionelle zu verfallen. Das
ist es auch, was diesen Aompositionen etwas vom
ewig Jungen, ewig Neuen verleiht. Man erinnere
sich nur, wie viel Jahre schon das Plakat für die
Iahresausstellung der Münchener Aünstlergenoffen-
fchaft zur Verwendung kommt, und frage sich, ob
diese monumentale Aomposition, diese trefflichste
Allegorie auf die Verbindung der Stadt München
mit der Aunst auch nur im Geringsten veraltet
erscheint?

Am trefflichsten bewährt sich Gysis' Geist in
jenen allegorischen Aompositionen, die ganz moderne
Themen, neue Erfindungen, Fortschritte auf tech-
nischem Gebiete und Aehnliches behandeln. Mag
der Stoff noch so widerspenstig erscheinen, Gysis
zwingt ihn mühelos — denn die Werke zeigen keine
Spur von Zwang und Mühe — in die ihm paffende
Forin. Zwei Entwürfe, die diesen: Aufsatze bei-
gegeben sind, :nögen dies bekunden. Beiden Skizzen

(Abb. f 0 u. f f) liegt das photomechanische Reproduktions-
verfahren als Thema zu Grunde, gewiß ein ver-
hältnißmäßig sehr moderner, sicher aber ein sehr
| spröder Stoff. Und welch' klassische Lösungen giebt
! uns Gysis? Es kann natürlich nicht die Absicht
dieser Zeilen sein, hier zu analysiren; mehr als je
gelten hier Faust's Worte: „Wenn Ihr's nicht fühlt,

! Ihr werdet's nicht erjagen". Spekulatives Grübeln
| liegt nicht in diesen inhaltsreichen Bildern, sondern
| ein frisches, gesundes Wissen, eine klare Aussprache
ausgereifter Gedanken. Ein Gleiches gewahren wir
auch auf dem Titelblatt für die Zeitschrift „Ueber
Land und Meer". Eine zarte Frauengestalt, Fama,
lauscht den Nachrichten, die der Telegraphendraht
bringt; die Spitzen ihrer Flügelfedern tragen weit-
schauende, umsichtige Augen; ihre Rechte führt die
Feder, die Linke die Tuba. Insignien der Aünste,
des Handels, des Gewerbes, der Industrie fügen
sich unaufdringlich in die Aomposition, ein ab-
| geschlossenes Ganzes von höchst poetischer Auffassung
bietend.

Das Walten der Poesie tritt bei den meisten
Schöpfungen Gysis', von denen wir hier sprechen,
unverkennbar zu Tage. Der Meister, der in dem
Melbilde „Die Wallfahrt" ein so erschütterndes, tief
in unsere Seele greifendes Gedicht schuf, kann nicht
der Schwester der Aunst, der Poesie, entrathen. Sie
ist ihm eine treue zielbewußte, 6elferin.

Wir haben schon am Anfänge dieser Zeilen
| darauf hingewiesen, daß der Grundcharakter der
allegorischen Schöpfungen Gysis' ein klassisch-antiker
ist; damit haben wir eigentlich schon gestreift, daß
ihnen ein Zug des Monumentalen, des Erhabenen,

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