Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 49.1898-1899

DOI Artikel:
Halm, Philipp Maria: Nikolaus Gysis
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7000#0023

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nikolaus Gysis.

innewohnt. Aber nicht
„starr", wie einmal Hein-
rich v. Aleist sagt, tritt
uns hier die Antike ent
gegen, sondern voll edlen,
pulsirenden Lebens, zwar
gemessen in der Bewegung
jeder einzelnen Figur, als
ob der Kothurn am raschen
Bchritte sie hinderte, aber
fern von aller Steifheit,
fern von allem hohlen
Pathos. Das Edle, Blaß-
volle, das in jeder Linie
sich ausspricht, die durch-
aus strenge Zeichnung der
Aontouren gemahnt un-
willkürlich an antike Werke.

In diesem Umstande finden
wir wohl den Grund für
den plastischen Zug, den
die Allegorien von Gysis
in sich tragen. Wenngleich
die Gestalten oft nur auf
das Papier gehaucht er-
scheinen, so sind sie doch
so plastisch gedacht, daß
ein feinfühlender Bild-
hauer recht wohl dieselben
in Relief übersetzen könnte.

Ja, dieser persuch gelang
eigentlich schon einmal
vollständig. Ich denke hier
an eine Medaille, welche
gelegentlich des fünfzig-
jährigen Jubiläums des
„höheren Töchterinstituts
in Athen" im Jahre \886 geprägt wurde (nicht
für das Universitätsjubiläum). Die 5chauseite
(Abb. 2) zeigt uns eine sitzende Athene, welche
in der Rechten einen Lorbeerkranz, in der Linken
den Schild hält. Im Hintergründe erstrahlt die
Akropolis. Für eine zweite Medaille, jene für
die Münchener Iahresausstellungen, wurde die Ge-
stalt der Athene in ihrer allgemeinen Komposition
von dieser ersten Medaille herübergenommen, aber,
wie mir dünkt, im Detail viel glücklicher durchgebildet,
so z. B. in der rechten Hand, welche von den: Lor-
beerbaum einen Zweig abpflückt. (Abb. i. Zeitschr. d.
bayer. Kunstgewerbe-Pereins f8fl7, S. \2, Abb. 22.)
Entschieden trägt zu der günstigeren Wirkung der
Münchener Medaille auch der ruhigere Hintergrund
bei. Beide Medaillen wurden ausgeführt vom

J. Nik. Gysis. Portrait-Relief von A. Boersch, München.

k. Münzmedailleur A. Boersch, dem wir auch das
nach der Natur modellirte, wohlgetroffene Bildnis
Gysis' (Abb. fl) verdanken. Für diese beiden eben
erwähnten Medaillen hat Gysis freilich zweckbewußt
die Entwürfe geschaffen, aber man vergleiche, ob nicht
das bekannte, wunderbare Gedenkblatt der pianoforte-
Fabrik Rudolf Ibach 5ohn mit seiner majestätisch
thronenden Gestalt der Harmonie, die uns wie der hehre
Genius Beethovens anmuthet, nicht minder glücklich
als Plakette oder Medaille sich verwerthen ließe. Das
dünkt uns auch von einer ebenfalls in ein Rund
komponirten, attische Anmuth athmenden Nike, wie
namentlich von dem trauernden Genius. Wer ver-
mag sich der unmittelbaren, packenden Wirkung
dieses mächtigen Blattes zu entziehen. Man schaue
auf diese in Schmerz niedergeschlagenen Augen, auf


Kmtjl und Handwerk. »8, Zahrg. Heft k.

9
 
Annotationen