Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 49.1898-1899

DOI Artikel:
Schwindrazheim, Oskar: Führer
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7000#0046

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Führer.

qo. Fensterverglasung mit eingesetzten Bildern aus Gxalglas
von L. Ule, München.

anzusehen? pat inan klare Einsicht von ihm ver-
langt in die ewigen Gesetze, die Zweck und Technik
ihm auferlegeir? £jat man es vor Fexenthum ge-
warnt? Hat mau ihin den Werth der Betonung
der Nationalität gezeigt?

Haben die Führer das gethan in ihren Worten,
in ihren Werken? Haben sie das, was sie prokla-
miren, in reiner, heiliger Eingabe an ihre Ausgabe
selber gethan? Zn ernster Selbsterkenntniß nach
schwerem Ringen gefundene Eigenart, tiefstes Studium
alles dessen, was ihre Kunstgebiete an unabänder-
lichen Vorbedingungen erfordern, im Kampfe mit der
Praxis gefunden, innigstes eigenes Naturstudium,
dem inan das köstlich erhebende Gefühl ansieht, das
das Erforschen gottentsprungener Schöpfungsgedanken
mit sich bringt, festes Fußen auf unserem Volksthun:,
das all' unseren vergangenen Kunstepochen den köst-
lichsten Stempel aufprägt, das unsere herrlichsten
alten Künstlerindividualitäten erzeugt hat — findet

man das immer und überall, wohin man blickt, in
ihren Werken?

Wir sagte einmal ein sehr tüchtiger, zu den
Wodernsten gezählt sein wollender Künstler: „Die
Hauptsache in der Kunst ist, daß man ausfällt!" —
Scheint diese cynische Ansicht, die Eigenart in reklame-
artiges Auffallenwollen verwandelt, die aus dein
Naturstudium eine Posse, aus ernsten: Schönheits-
suchen Effekthascherei macht, die Volksthum über-
haupt nicht kennt, die aus ernstem Emporringen
ein bloßes Wettrennen macht, die die Kunst nur als
Spezialitäten-Theater ansieht — scheint sie leider nicht
häufig wie eine unsichtbare Etikette über modernen
Erzeugnissen zu schweben? — „Gb es nun paßt, ist
ganz egal-

Deckt sich mit diesem Ausspruch uicht das be-
klagenswerthe Zagen nach sensationellen Effekten,
einerlei, woraus sie sich ergeben, ob sie mit deutscher
Kunst etwas zu thun haben oder nicht, ob sie selbst-
erfunden oder entlehnt sind? Deckt sich mit ihn:
nicht die des Gefteren zu beobachtende Rücksichtslosig-
keit gegen Technik und Zweck, die Gleichgültigkeit
gegen eigennationale Schönheitsideale, der ober-
stächliche Raubbau, der mit einigen auffallenden,
bizarren, oft noch durch fremde Brille gesehenen
Naturforinen getrieben wird? Decken sich mit ihn:
nicht die für unsere Zeit so charakteristische Bevor-
zugung des Plakats mit seinen zu allen anderen
Zweigen der Kunst in völligem Gegensatz stehenden
eigentlichen Endzwecken, sowie der Einfluß, den dasselbe
auf alles Andere auszuüben droht?

Führer! — das Schönste, was einen: Wenschen
beschieden werden kann, seinen Mitmenschen empor-
zuhelsen zur Höhe — euch wird's von der Vorsehung
angeboten! Schöner wohl noch ist euer Amt als
das derjenigen, die nachher, wenn unser Kunst-
gewerbe auf der Höhe angelangt ist, die höchste
Krönung des Ganzen zu bilden bestimmt sind!

Eine Umwälzung in der deutschen Kunst hebt an,
und in eure Hand ist's großentheils gegeben, wie
dieselbe vor sich gehen wird! Vor eine herrliche,
aber verantwortungsvolle Aufgabe hat euch die
komn:ende deutsche Kunst der Zukunft gestellt!

Zhr könnt sie fördern, ihr könnt sie hemmen,
ihr könnt ihr zun: Segen, ihr könnt ihr zum Gegen-
theil werden! Zhr seid die Werkzeuge, deren sich die
Kunst der Zukunft bedient, um an's Licht zu kommen.
Sie wird ihre Gestalt haben, wie sie sie haben will
und soll, ob ihr so handelt oder so —• nicht ihr
seid's ja, die sie schaffen, sie hat euch Sonntagskindern
nur ein Stück von ihrer Herrlichkeit offenbart, auf
daß ihr's auderen, weniger von: Geschick begünstigten
übermittelt! Zn eurer Hand liegt's, wie die deutsche

52
 
Annotationen