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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 49.1898-1899

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Halm, Philipp Maria: Der "Augustiner" in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.7000#0068

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Der Augustiner.

74. Garten im „Augustiner"; Architekt Lman. Seidl, München.

(Abb. 76). Dort umläuft eine
Holzvertäfelung mit kleinen Ar-
katuren und Pilastern die Wände,
darüber erscheint die weiß ver-
putzte Waitd mit vorzüglichen,
so recht bayerischen Charakter
tragenden und offenbarenden
Stuckaturen, die in technisch
höchst gelungener Arbeit sprin-
gende Hirsche und Gemsen und
Hirschköpfe in Aartuschenwerk
in Hochrelief, das zum Theil
in vollrunde Wodellirung über-
geht, darstellen. Wir sehen hier
die alte Technik des Stuckes,
die in: \7. uitd \8. Jahrhundert
gerade speziell in Altbayern so
prächtige Werke schuf — ich
erinnere auch an die große
Bedeutung der Wessobrunner
Etuckatorenschule —, in so treff-
licher Weise angewendet, daß
Mail nicht anstehen darf, nicht
minder den Entwurf Professor
Tmanuel Seidl's wie die tech-
nische Ausführung durch die
Firma Rappa & Giobbe den
Meisterleistungen unserer Barock-
und Rokokokünstler an die Seite
zu stellen. In glücklichem Aon-
trast hebt sich von den weißen
Wänden die schwere dunkle
Balken- und Aassettendecke ab,
die durch Messingnägel originell
dekorirt ist und in der Mitte
auf einer wuchtigen Holzfäule ruht. Als treffliche
Dekoration der Wände erweisen sich noch ein großes,
von Mayr-Graz gemaltes Stillleben in üppigen:
Stuckorahmen und der Augustinermönch mit der
Strafglocke. Die Lichtträger, nach Seidl's Entwurf
von Riedinger in Augsburg gefertigt, halten sich
ganz an die Formen der Meffinglüster des j7. Jahr-
hunderts. In einem Separatwinkel dieses Saales
sindet sich der originelle Wandschmuck, den die
Abb. 77 wiedergibt. Ein sehr gemüthlicher Raum
ist das in nächster Nähe des Saales befindliche
kleinere Gesellschaftszimmer (Abb. 78 ff.), das neue
Heim der alten Affenkastengesellschaft, auf welchen
Zweck das in Holz ausgesägte, bemalte, von zwei
Affen getragene Wappen mit dem Bockkopf hin-
deutet. So einfach dieser Raum gehalten ist —
Helle Eichenholzvertäfelung, darüber die weiße Wand
und die gewölbte Decke —, so traulich ist er. Die

Dekoration außer dem ebenerwähnten Wappen be-
schränkt sich auf einen ebenfalls in Holz ausgesägten,
gemalten Sonntagsjäger, der eines Häsleins nicht
gewahrt, ein Hirschgeweih, auf einige Scheiben und
kleine Altmünchener Ansichten, die in ihrer Anspruchs-
losigkeit doppelt anheimelnd wirken. Von der Decke
hängt eine große ausgcstopfte Eule, die sechs kleine
Vögel, Träger elektrischer Glühlampen, zu gefährden
scheint. Das gleiche Motiv eines Lichtträgers hat Seidl
schon früher einmal in trefflicher Weise unter Be-
nützung des altorientalischen Bronzegusses einer Taube
angewandt (vergl. Aunst und Handwerk f898, S. 2\ ().
Unzweifelhaft gehört diese Lösung zu dem Besten,
was die moderne Aunst in dieser Aufgabe leistete.
Auch der Bequemlichkeit der Gäste wurde in diesem
Raume auf das Allerbeste Rechnung getragen durch
die den Aörperformen außerordentlich glücklich sich
anschmiegenden Stühle mit den Rücken- und Arm-

Aunst und Handwerk. 49. )ahrg. Heft 2.

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