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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 49.1898-1899

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Gmelin, Leopold: Randbemerkungen zu neueren Arbeiten von Karl Groß
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https://doi.org/10.11588/diglit.7000#0097

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Randbemerkungen zu neueren Arbeiten von Aarl^Groß.

Z20. Füllungsmotiv für Schmiedeisen (flach und gemeißelt);
Entwurf von Karl Groß (München), Dresden.

den Angeln faß, daß es mit seinen Ausläufern über
die Thürflügel hingriff, diese gleichsam wie mit
Fangarmen festhaltend, und wenn der Verfertiger
Muße dazu fand, dann gestaltete er die Ausläufer
derart, daß sie an Laubwerk und Blumen gemahnten,
aber weder deti Zweck noch das Material zur Be-
deutungslosigkeit verurtheilten. Damals stellte sich
die Natur in den Dienst des Aunsthandwerkes; heute
versucht nran oft genug, die Naturform über Alles
zu stellen und Zweck, Material und Technik nur
dazu zu benützen, um die Ergebnisse des Natur-
studiums an den Mann bringen zu können.

Die Anreguitg dazu ging weniger von den
Aunfthandwerkern als von Leuten aus, die sich mit
dem Aunsthandwerk wenig oder gar nicht praktisch
befaßt haben, seien es Aünstler oder Schriftsteller.
Das erklärt sich sehr einfach. Der Aunsthandwerker,
der mit der Zeit über ein bestimintes Arbeitsgebiet
Herr geworden ist und nun die Früchte Jahre langer
Bemühungen einheimst, läßt nicht ein fruchttragendes
Gelände ohne Noth brach liegen, um statt dessen
einen Boden urbar zu machen, dessen Trtragsfähig-
keit ihm ungewiß scheint; er tauscht nicht mühsam
erworbene Aenntnisse, die ihn: bisher Ansehen und
Arbeit gesichert haben, gegen Dinge aus, deren
praktischer Werth ihm nicht einleuchtet. Dazu kommt
ein begreifliches Mißtrauen gegen gewisse wohl-
gemeinte Rathschläge, sobald diese von Leuten aus-
gehen, die zwar schöne Worte zu machen wissen,
aber sich nur oberflächlich mit den behandelten
Dingen zu beschäftigen pflegen. Die „durch keinerlei
Fachkenntniß getrübte Unbefangenheit" steht bei den
Fachleuten in üblem Ruf.

Bei den ganz fertigen Aunfthandwerkern konnten
also derartige Anregungen selten auf fruchtbaren
Boden fallen; die ausgestreuten Samenkörner der
neuen Ideen gingen nicht auf, oder die zarten Pflan-
zen verkümmerten zwischen den Stauden der fest-
gewurzelten, gewissermaaßen altangesessenen Pflan-
zungen und wurden als Unkraut bei Seite geworfen.
Ts mußten Leute kommen, die mit frischer Begeiste-
rung, junger Araft und keckem Wagemuth daran
gingen, ein noch jungfräuliches Gelände zu bebauen
und der neuen Sämlinge sorgsam zu warten, Leute,
die bei aller Aenntniß der alten Stilweisen und trotz
aller Achtung vor denselben sich dennoch die Freiheit
selbständigen Gestaltens bewahrt haben, Leute, die
unbefangen die Schönheiten der alten Aunst und der
ewig jungen Natur in sich aufzunehmen, aber sie
auch mit den technischen Mitteln der Gegenwart zu
verarbeiten wußten. Die letzten Ausstellungen haben
bewiesen, daß der neue Pflänzling unter geeigneter
pflege sich wohl akklimatisiren und recht genießbare

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