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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 49.1898-1899

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Gmelin, Leopold: Randbemerkungen zu neueren Arbeiten von Karl Groß
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https://doi.org/10.11588/diglit.7000#0100

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Randbemerkungen zu neueren Arbeiten von Karl Groß.

daß Groß sich nicht mit der oberflächlichen Erschei-
nung begnügt, sondern daß er dem struktiven Wesen
des Pflanzenbaues nachgeht, um hieraus die Grund-
sätze, nicht nur die zufällige äußere Erscheinung
für bildnerisches Nachgcftalten sich zu eigen zu machen.
Dabei verfolgt er — wie aus feinen Zinngravirungen
hervorgeht — die feinsten Linienzüge des Blatt-
geäders mit derselben sorgsamen Aufmerksamkeit wie
die Blüthenformen, Staubfäden, Blattansätze u. s. w.

Es ist interessant, zu beobachten, wie Groß die
Gewölbedekoration aus Stuck, welche einen der Säle
der kunstgewerblichen Abtheilung im Glaspalast
schmückte, im Wesentlichen aus Motiven dieser Vor-
frühlingsstudien abgeleitet hat. Den eigenartigen bsaupt-
linienzügen ain Gewölbe ist gerade soviel von ihrer von
den Gewölberippen herrührenden und für diese be-
zeichnenden Starrheit geblieben, als zum Eindruck der
Versteifung der Decke nothwendig schien; und auch

an ihren Anfängen wie längs ihres Verlaufes und
namentlich an den Enden, wo Blätter und Blüthen
hervorsprießen, da halten diese sich wohlweislich fern
von einem nicht hierher paffenden Naturalismus. Die
tektonisch unumgängliche Starrheit der Rippen hat
bei dem Umwandlungsprozeß der Naturform in
die Aunstform auch auf Anospen und Blüthen er-
starrend eingewirkt und so eine volle Uebereinstim-
mung zwischen tektonischer Grundform und dekorativer
Zuthat herbeigeführt. (Abb. \22 u. \2o, vgl. auch
Abb. 55 s im letzten Iahrg.)

Auch bei den meisten der Groß'schen Schmuck-
fachen (Abb. (28—(340 lassen sich die Motive un-
schwer aus Pflanzengebilden herleiten; ein Nest von
Lippenblüthen bildet das Mittclftück, an dem oberen
Stück sind Schotenfrüchte, an einem anderen Ber-
beritzenbeeren Modell gestanden. Nkan kann es viel-
leicht tadeln, daß hängende Motive wie die Beeren
hier an steifen Stielen angebracht
sind; aber im Ganzen darf man
wohl sagen, daß mancher schöne,
eigenartige Gedanke Verwirklichung
gefunden hat?)

Niemand wird bei der Betrach-
tung dieser Dinge die Einpfindung
haben, daß es dem Künstler darauf
ankam, Naturgebilde zu kopiren und
zu diesem Zwecke der Technik Gewalt
anzuthun; man wird im Gegentheil
erkennen, daß der Künstler die Natur-
forin gezwungen hat, dem von ihm
erstrebten Zweck zu dienen. Ebenso
wird Niemand bei den zwei in ge-
schnittenem Eisen gedachten Füllungs-
motiven (Abb. ((9 u. (20) auf die
Vermuthung kommen, daß das Eisen
nur zur Darstellung eines natürlichen
Gestrüpps herhalten solle, sondern
man wird stets herausfühlen, daß
hier Technik und Material das Szepter
führen und daß die Naturformen

Z22. Gewölbedekoration (Stuck) von K. Groß (München), Dresden.

9 Die Ausführung dieser Brochen ist in
Silber erfolgt, wobei theilweise durch Ver-
goldung bezw. Bxydirung, sowie durch die
dazwischen gesetzten Steine eine reizvolle Ab-
wechslung hervorgerufen wurde. Das Mittel-
stück ist völlig vergoldet und mit Gpalen be-
setzt, — die Broche darüber zeigt über einem
in Gold gefaßten rothen Stein silberne Blätt-
chen mit blauen und grünen Steinen, ver-
goldeten Rändern und Steinfassungen, — an
der unteren Broche ist nur das lange Blatt,
welches einen Mpal trägt, vergoldet, — ähn-
lich sind auch die anderen Stücke behandelt.

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