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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 49.1898-1899

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Lipps, Thorsten: "Kunst" und "Kunstgewerbe"
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https://doi.org/10.11588/diglit.7000#0113

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Knuft und Kunffgetuerbe.

\$2. Messinglüster für elektr. Glühlicht. Entwurf von Architekt
Iv. Bertsch, Ausführung non Roth u. Weigl, München.

Möglichkeit des technischen Aunstwerkes. — Dem-
gemäß geht auch das roheste Handwerk in das
höchste Aunstgewerbe stetig über.

Enthalten die künstlerischen Formen die materiell
nothwendigen Formen implicite in sich, so muß,
da diese vom Charakter des Materiales abhängig
sind, in gewisser Meise auch in deu künstlerischen
Formen der Charakter des Materiales sich kund-
geben. Dem widerspricht nicht die oben behauptete
Unabhängigkeit des spezifischen Lebens der Schmuck-
formen vom Material und seinen Leistungen.

Die in einer Schmuckform ausgesprochene Funk
tion kann dem Material noch so fremd sein und
doch in der Meise ihres Vollzuges den Cha-
rakter des Materiales widerspiegeln. So kalin das
lherausquellen des Mulstes ein perausquellen der
verschiedensten Art sein und jenachdem diesem oder
jenem Materialcharakter entsprechen. Und die innere
Wahrheit fordert, daß es jedes Mal dem Charakter
des Materiales entspreche, in welchen: die Form sicht-
bar gebildet ist.

Fassen wir das Gesagte oder Angedeutete jetzt
noch in der Meise zusannnen, daß wir dabei einen
in der heutigen Aesthetik überall geläufigen Begriff
verwenden. Ich meine den Begriff des ästhetischen
„Symbols" und der ästhetischen „Symbolik". Etwas
ist ästhetisch symbolisck, dies heißt nichts Anderes als:
Es ist für die unmittelbare Anschauung Träger
irgendwelchen Lebens.

Die „Symbolik" nun, die dem technischen Aunst-
werke eignet, ist hinsichtlich ihres Inhaltes eine drei-
fache, nämlich stoffliche Symbolik, immanente Funk-
tionssyinbolik und eventuell zweckliche Symbolik.
Die letztere könnte auch transeendente Funktions-
symbolik heißen.

Das Erzeugniß des Aunstgewerbes ist stofflich
symbolisch, d. h. es prägt sich in ihm ein Stoffcharakter
aus, es gibt sich in ihm eine innere Daseinsweise,
eine innere Lebendigkeit kund, die in dem Stoff oder
Material als solchem liegt. Jedes technische Aunst-
werk besitzt immanente Funktionssymbolik, dies heißt:
Die Formen bekunden inhaltlich bestimmte Lebens-
äußerungen, Thätigkeiten, Funktionen. Und endlich:
Das technische Aunstwerk ist zwecklich symbolisch,
dies will sagen: Es scheint sich zu einem praktischen
Zweck, zu einer materiellen Beziehung auf etwas außer
ihm, zuletzt auf den Menschen, darzubieten.

Jede dieser Arten der Symbolik ist wiederuin
doppelter Art, d. h. sie kann haften an den Formen,
fofern sie durch das Material und die nothwendigen
Leistungen desselben bedingt sind, und sie kann haften
an den Formen als solchen. So kann die Form
eines Gefäßes schwer sein, weil das Material dies
erfordert, oder sie kann „schwer" gebildet sein und
damit auf einen Materialcharakter Hinweisen, obgleich
eine leichtere Form in dem Material ebenso leicht
und zweckdienlich sich ergäbe.

Wiederholen wir jetzt die Frage: Mie steht zum
technischen Aunsterzeugniß das Erzeugniß der „reinen"
Aunst? Dann lautet die Antwort kurz dahin, daß
von allen diesen Arten der Symbolik für die
reine Aunst nur eine einzige übrig bleibt, nänllich
die an der Form als solcher haftende immanente
Funktionssymbolik. Den lebensvollen Inhalt des
Erzeugnisses der reinen Aunst bildet einzig das an
die Form als solche für unsere Phantasie gebundene
Leben.

Und wie steht es nun mit dein Rechte, „Aunst"
und „Aunstgewerbe" einander entgegenzustellen? Ein
solches Recht besteht nicht. Ein Erzeugniß des Aunst-
gewerbes kann so gut wie das der Malerei oder Bild-
hauerei ein in sich vollkomnienes Aunstwerk sein.
Es hindert daran zunächst nicht das Material mit seinen
technischen Leistungen. Das Mesen der Aünste der


 
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