(Ötto Rieth's Schaffen.
;55. Skizze von (Dtto Rieth, Berlin.
diese Skizzen in "vielen, vielen Fällen Anregung
gegeben haben.
Auch für den eigentlichen schöpferischen Inhalt
der Rieth'schen Arbeiten hat diese Technik etwas
Bezeichnendes; sie erweckt sofort dasBewußtsein, einem
unmittelbaren Gefühlsausdruck eines Mannes gegen-
überzustehen , der in der überquellenden Fülle
schöpferischer Araft seine Gedanken auf's Papier
wirft und uns nicht ergrübelte oder erkünstelt-inter-
essante Produkte einer unbefriedigten Existenz vorsetzt.
Das entpfindet man bei den besten Blättern der
Rieth'schen Sammlung sehr deutlich in einer kräftigen,
einheitlichen Stimmung, die den Beschauer gefangen
nimmt. Rieth ist ein
bewußter Stimmungs-
Architekt, und ich glaube,
daß seine Entwürfe nicht
entstehen aus der Freude
an interessanten archi-
tektonischen Aombina-
tionen, die dann nach-
her eine gewisse Stim-
mung Hervorrufen, son-
dern daß er für eine
bestimmte, ihn beseelende
Stimnmng nach einer
architektonischen Aom-
bination sucht. Und
ebenso, wie unsere Lit-
teratur heutzutage eine
besonders komplizirte
Skala vonEmpfindungs-
nüancen anzuschlagen
bestrebt ist, scheint in
Rieth die Natur des
modernen Menschen vor
Allem darin zum Vor-
schein zu kommen, daß
er versucht, der ver-
schiedenartigsten, be-
stimmt umrissenen Stim-
mungen zwischen dem
Graziös-Aoketten (vgl.
Abb. (5() und dem
Ernst-Würdigen (vgl.
Abb. (55, (5H), dem
Heiter - Sinnlichen (vgl.
Abb. (65) und dem Er-
habenen (vgl. Abb. (52,
(6() architektonisch Herr
zu werden. Ja, manch-
mal beginnt er in halb
ornamentaler Allegorik
eine Art steinerner Philosophie zum Ausdruck zu
bringen, die große Grundbegriffe des Daseins zu
verkörpern oder die Stimmungssphäre großer Geister
zu charakterisiren versucht.
Und wenn man bei Rieth nach dem „Neuen"
fragt, das in seinen Werken liegt, so finden wir es
wohl mehr in diesen Problemen, die er sich
wählt, als in seiner Formensprache. Man begegnet
in Rieth's Entwürfen allen möglichen Stilcharakteren,
aber man wird bald die Ueberzeugung gewinnen,
daß er die Formen eines Stiles nicht anwendet,
um diesen bestimmten Stil zum Ausdruck zu bringen,
sondern daß er mit dem historischen Formenschatz
;55. Skizze von (Dtto Rieth, Berlin.
diese Skizzen in "vielen, vielen Fällen Anregung
gegeben haben.
Auch für den eigentlichen schöpferischen Inhalt
der Rieth'schen Arbeiten hat diese Technik etwas
Bezeichnendes; sie erweckt sofort dasBewußtsein, einem
unmittelbaren Gefühlsausdruck eines Mannes gegen-
überzustehen , der in der überquellenden Fülle
schöpferischer Araft seine Gedanken auf's Papier
wirft und uns nicht ergrübelte oder erkünstelt-inter-
essante Produkte einer unbefriedigten Existenz vorsetzt.
Das entpfindet man bei den besten Blättern der
Rieth'schen Sammlung sehr deutlich in einer kräftigen,
einheitlichen Stimmung, die den Beschauer gefangen
nimmt. Rieth ist ein
bewußter Stimmungs-
Architekt, und ich glaube,
daß seine Entwürfe nicht
entstehen aus der Freude
an interessanten archi-
tektonischen Aombina-
tionen, die dann nach-
her eine gewisse Stim-
mung Hervorrufen, son-
dern daß er für eine
bestimmte, ihn beseelende
Stimnmng nach einer
architektonischen Aom-
bination sucht. Und
ebenso, wie unsere Lit-
teratur heutzutage eine
besonders komplizirte
Skala vonEmpfindungs-
nüancen anzuschlagen
bestrebt ist, scheint in
Rieth die Natur des
modernen Menschen vor
Allem darin zum Vor-
schein zu kommen, daß
er versucht, der ver-
schiedenartigsten, be-
stimmt umrissenen Stim-
mungen zwischen dem
Graziös-Aoketten (vgl.
Abb. (5() und dem
Ernst-Würdigen (vgl.
Abb. (55, (5H), dem
Heiter - Sinnlichen (vgl.
Abb. (65) und dem Er-
habenen (vgl. Abb. (52,
(6() architektonisch Herr
zu werden. Ja, manch-
mal beginnt er in halb
ornamentaler Allegorik
eine Art steinerner Philosophie zum Ausdruck zu
bringen, die große Grundbegriffe des Daseins zu
verkörpern oder die Stimmungssphäre großer Geister
zu charakterisiren versucht.
Und wenn man bei Rieth nach dem „Neuen"
fragt, das in seinen Werken liegt, so finden wir es
wohl mehr in diesen Problemen, die er sich
wählt, als in seiner Formensprache. Man begegnet
in Rieth's Entwürfen allen möglichen Stilcharakteren,
aber man wird bald die Ueberzeugung gewinnen,
daß er die Formen eines Stiles nicht anwendet,
um diesen bestimmten Stil zum Ausdruck zu bringen,
sondern daß er mit dem historischen Formenschatz