Gtto Rieth's Schaffen.
^57. Skizze von Btto Rieth, Berlin.
je nach Bedürfnis mit einer Freiheit schaltet, für
die nur das unbestiinmte Gefühl, nicht ein historischer
Codex maßgebend ist. Es ist sehr wohl denkbar,
daß viele verständnißvolle Beurtheiler hier nicht
unbedingt in jeder Einzelheit mit ihm gehen; dem
Verfasser sind z. B. die an deutsche Renaissance an-
klingenden Schöpfungen Rieth's meistens weniger
sympathisch, da sie eine Melodie anschlagen, die er
anders zu hören gewohnt ist und die doch noch die
bekannte Melodie bleibt, — aber auf Einzelheiten
kommt es in diesem Punkte gar nicht an, sondern
auf den großen Zug, mit dem wir hier die Schätze
der Zeiten von einer selbständigen pand benutzt
sehen. —
Am meisten scheint Rieth's Natur hierbei jene
Uebergangsepoche von später Renaissance zum Barock
zu fesseln, die, ohne die Würde des architektonischen
Gefüges zu verlieren, doch schon mit dem neu-
erwachten Freiheitsbewußtsein ihre Effekte vertheilt
und in die strenge akademische Sprache eine Fülle
neuer Ausdrucksnüancen hereinbringt. Es ist das
Verhältniß von Ornament zur Fläche, das für diese
Architekturwirkungen in Rieth's Arbeiten maßgebend
ist; die architektonischen Accente werden zu einer
konzentrirten Wirkung zusammengefaßt und kommen
durch den fein abgewogenen Kontrast mit der
ruhigen Fläche zu besonders eindringlicher Geltung;
aber trotz dieses scharf ausgesprochenen Kontrastes
erscheint das Ornamentale doch eigentlich nur wie ein
Lebendigwerden der Fläche an gewissen Stellen, es
entwickelt sich aus ihr heraus und geht im Gegensatz zu
allen angehefteten und angehängten Ornament-
motiven in einem Flachrelief, das wie aus der
fertigen Wand herausgemeißelt erscheint, in die Fläche
über (vergl. Abb. J59). Dabei schmiegt sich das
Ornament meistens in bestimmte, von geraden Linien
umrissene Gesammtformen ein, um dann an ein-
zelnen Stellen — meist anschließend an menschliche
Gestalten — in festlichem Schwung um so wirkungs-
voller alle architektonische Gebundenheit zu durch-
brechen.
Das ist ein zweiter Aontrast, den Rieth bewußt-
pstegt. Der Gegensatz der bewegten menschlichen Ge-
stalt mit der streng architektonischen Gliederung (vgl.
^57. Skizze von Btto Rieth, Berlin.
je nach Bedürfnis mit einer Freiheit schaltet, für
die nur das unbestiinmte Gefühl, nicht ein historischer
Codex maßgebend ist. Es ist sehr wohl denkbar,
daß viele verständnißvolle Beurtheiler hier nicht
unbedingt in jeder Einzelheit mit ihm gehen; dem
Verfasser sind z. B. die an deutsche Renaissance an-
klingenden Schöpfungen Rieth's meistens weniger
sympathisch, da sie eine Melodie anschlagen, die er
anders zu hören gewohnt ist und die doch noch die
bekannte Melodie bleibt, — aber auf Einzelheiten
kommt es in diesem Punkte gar nicht an, sondern
auf den großen Zug, mit dem wir hier die Schätze
der Zeiten von einer selbständigen pand benutzt
sehen. —
Am meisten scheint Rieth's Natur hierbei jene
Uebergangsepoche von später Renaissance zum Barock
zu fesseln, die, ohne die Würde des architektonischen
Gefüges zu verlieren, doch schon mit dem neu-
erwachten Freiheitsbewußtsein ihre Effekte vertheilt
und in die strenge akademische Sprache eine Fülle
neuer Ausdrucksnüancen hereinbringt. Es ist das
Verhältniß von Ornament zur Fläche, das für diese
Architekturwirkungen in Rieth's Arbeiten maßgebend
ist; die architektonischen Accente werden zu einer
konzentrirten Wirkung zusammengefaßt und kommen
durch den fein abgewogenen Kontrast mit der
ruhigen Fläche zu besonders eindringlicher Geltung;
aber trotz dieses scharf ausgesprochenen Kontrastes
erscheint das Ornamentale doch eigentlich nur wie ein
Lebendigwerden der Fläche an gewissen Stellen, es
entwickelt sich aus ihr heraus und geht im Gegensatz zu
allen angehefteten und angehängten Ornament-
motiven in einem Flachrelief, das wie aus der
fertigen Wand herausgemeißelt erscheint, in die Fläche
über (vergl. Abb. J59). Dabei schmiegt sich das
Ornament meistens in bestimmte, von geraden Linien
umrissene Gesammtformen ein, um dann an ein-
zelnen Stellen — meist anschließend an menschliche
Gestalten — in festlichem Schwung um so wirkungs-
voller alle architektonische Gebundenheit zu durch-
brechen.
Das ist ein zweiter Aontrast, den Rieth bewußt-
pstegt. Der Gegensatz der bewegten menschlichen Ge-
stalt mit der streng architektonischen Gliederung (vgl.