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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 49.1898-1899

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Chronik des Bayerischen Kunstgewerbevereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.7000#0173

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Chronik des Bayer. Kunstgewerbevereins.

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gauer, Israel v. lllecfciten,

Albrecht Dürer, Berns iholbein
waren Meister in volksthüm-
licher Kunst, die sich — be-
sonders stark bei Dürer in
der Reformationszeit — mit
tendenziösen Absichten ver-
band oder sich in satyrischen
Darstellungen über Mode,

Politik u. s. w. Luft machte. Mit dem 30 jährigen Krieg
welkte diese Blüthe dahin; und nur verhältnißmäßig wenige
Kampfbilder und Aehnliches geben Kunde von ihrem küm-
merlichen Fortvegetiren. Erst das ;8. Jahrhundert brachte
wieder eine Wendung zum Bessern; der Schwerpunkt volks-
thümlicher Kunst lag jetzt in der Bücherillustration. Geliert,
Lessing, Göthe, Cervantes, Shakespeare u. A. werden illustrirt
(Chodowiccki's Arbeiten!). Sehr viel trug Göthe zur Populari-
sirung der Kunst bei; durch seine warmen Worte für die
gothische Kunst hat er mittelbar den Anstoß gegeben zum
Ausbau gothischer Dome. Zum volksthümlichsten in unserem
Jahrhundert gehören aber die Arbeiten Ludwig Richters und
Moriz Schwinds, die Münchener Bilderbogen und die „Fliegenden
Blätter;" warum diese Art von Kunst volksthümlich geworden
ist, beruht darauf, daß hier Künstler und Abnehmer auf einem
Boden, dem einheimischen stehen. — Der mit vielem Beifall
aufgenommene Dortrag, für welchen der Vorsitzende, Prof. v.
Thiersch, den Dank des Oereins abstattete, war begleitet von
einer großen Zahl von Bildern, die in schlagenden Beispielen die
verschiedenen Aeußerungen volksthümlicherKunst veranschaulichten.

Sechste Wochenversammlung — am ;z. Dezember —
eine jener Oersammlnngen, die einen inehr oder weniger imxro-
visirten Charakter tragen und die trotzdem — oder vielleicht
deswegen? — den gelungensten beizuzählen sind. Der für den
Abend bestimmte Oortrag mußte abgesagt werden wegen plötz-
licher Heiserkeit des Redners; der I. Ocreinsvorstand, Prof,
v. Thiersch, der dies erst am Abend bei Rückkehr von einer
Reise erfahren hatte, packte rasch entschlossen ältere Reiseskizzen
und Photographien aus Aegypten und Palästina, nebst den
zugehörigen Karten zusammen, ließ einen Thcil davon im
Vereinssaal aushängen und hielt aus dem Stegreif über seine
zu Anfang unternommene Reise von Damaskus nach

Palmyra einen Oortrag, der durch die interessanten ethno-
graphischen, landschaftlichen, architektonischen Schilderungen das
lebhafteste Interesse wachrief. Allgemeine Anerkennung fand
aber nicht nur der Oortrag, sondern in besonders hohem Grade
auch die zahlreichen Aquarelle, die — so flüchtig sie vielfach
auch nur im Flug der Reise auf's Papier gezaubert waren —
doch stets den Charakter des Dargestellten treu wiederspiegelten. —
Wenige Tage vor diesen, Vereinsabend war bekannt geworden,
daß Prof. Gabr. Seidl am 9. Dezember sein fünfzigstes
Lebensjahr vollendet hatte. Die Feier eines solchen Ereignisses
durfte sich ein Verein nicht entgehen lassen, der den Jubilar
zu seinen treuesten, thätigsten und einflußreichsten Mitgliedern
zählt; diesem Umstand war es ohne Zweifel auch zu verdanken,
daß die Versammlung so stark besucht war wie selten. Die
Wände des Saales hatten festlichen Schmuck aus Tannengrün
und Draperien angelegt, und auf den Tischen prangten die
Ringer'schen Tafelaufsätze. Der I. Vereinsvorstand, Prof.

v. Thiersch, eröffnete die
Festlichkeit mit einer warmen
Begrüßung des Gefeierten,
der zwar selbst keine „langen
Geschichten" geniacht haben
wollte, es aber doch nicht
hindern konnte, daß der

220—225. Aus Hoffmann's
Siegelmarken (vgl. S. J(52).

namentlich

Verein den Anlaß benutzte,
ihm seine Huldigung darzu-
bringen. Mit Recht betonte
der Redner, daß Professor
Seidl zwar kein „Lehrer"
in des Wortes gewöhnlicher
Bedeutung sei, daß er aber
dennoch Schule gemacht habe:
wir alle seien seine Schüler
in Hinsicht auf das Streben nach einer ein-
fachen Kunst, nach poetischer, einfacher Stimmung. Auf das
dem Gefeierte^ dargebrachte „Hoch" bekannte sich dieser in
bewegten Worten als eines der anhänglichsten Mitglieder des
veieins, dem er schon seit frühester Jugend seine Zuneigung
entgegengebracht. Mit Genugthuung und Freude durfte man
aus den von Herzen kommenden Worten entnehmen, daß die
Stürme, die vor einem Jahre die Stimmung ungünstig beein-
flußt hatten, keine Verstimmung zurückgelassen haben, — und
freudig konnte daher die Versammlung in das dem Blühen
und Gedeihen des Vereins dargebrachte „Hoch" einftimmen. —
Als besondere Erinnerungsgabe an diesen Festtag hatte Fr.
Naager im Aufträge des Vereinsoorstandes eine große
Gratulationstafel mit entsprechenden Allegorien und Emblemen
gemalt, auf der die im Hintergrund stehenden Baumstämme
zur Eintragung der Gratulanten benutzt wurden. Der weitere
Verlauf des Abends trug einen festlich-heitern, ungemein ge-
müthlichen Charakter: musikalische und deklamatorische, ernste
und heitere Vorträge wechselten in bunter Reihe und währten
bis spät in die Nacht. Besonders verdient machten sich das
Trio (Zither, Mandoline und Baß-Guitarre) von Knabl,
Bauhofer und Straßer, sowie das Streich-tpuartett volln-
hals, Bierle, Feiler, Hößl und endlich Hofoxernsänger
Mang. Stürme der Heiterkeit wußte Herr Straßer mit seiner
„Krottenkopsbesteigung" und ähnlichen poetischen Ergüssen zu
entfesseln. Die den Mitwirkendcn Seitens des Vorsitzenden und
der Versammlung gezollten Dankesbezeigungen mögen hiermit
auch in der Vereinszeitschrift ihr Echo finden. — An diesem
Abend waren Ehrenurkunden und Aehnliches ausgestellt, deren
eine auf 2. ;zs abgebildet ist.

Siebente wochenverfammlung — am 3. Januar — Aus-
stellung von Geweben aller Art. Inländische Beispiele der
Gegenwart waren von I. Ebner & Cie (München), von den
„vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk" und von
der Scherrebeker Kunstwebeschule ausgestellt, — französische
und englische Stoffe von Gäbler, orientalische (persische,
mittelasiatische, chinesische und japanische) von L. Bern-
st ei m er, Th. Fischer, Gabr. Seidl; dazu kam noch ein
gemalter Gobelin von I. Bradl und eine ganze Reihe
prächtiger alter Stoffe und Gewandstücke, welche Antiquar
Jul. Böhler zur Ausstellung brachte. Der II. Vorsitzende,
Hofjuwelier Merk, eröffnete die Versammlung, indem er dem
Konservator Bogenschütz das Wort zur Erklärung der Aus-
stellung ertheilte. Daran schlossen sich einige technische Er-
läuterungen Seitens des H. Kommerzienrath I. Ebner, sowie
eine kurze Diskussion über den Ausdruck „Handweberei" —
den man bei den Scherrebcker Arbeiten anzuwenden pflegt; —
es ging daraus hervor, daß der Begriff „Handweberei" nicht
in dem Sinne zu verstehen sei wie bei
den Gobelins, wobei alle
Kettenfäden nur von Hand
gehoben werden, sondern nur
in dem Sinne einer gegen-
über dem Iacquard-Webstuhl
gesteigerten Mitarbeit der
Hand.

verantw. Red.: ssrof. £. Gmelin. — Herausgegeben vom Bayer. Aunstgewerbe-Verein. — Druck und Verlag von R. Vldenbourg, München.
 
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