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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 49.1898-1899

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Morawe, Ferdinand: Petroleumlampen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7000#0176

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Petroleumlampen.

227. Petroleumlampe, in Kupfer getrieben; von Wilhelm und Lind,
München. (Muster geschützt.) ‘/s der wirk!. Größe.

Schiller und Goethe als Transparent. Das ist so
die gute oder Sonntagslampe in Familien, die uin
fünf Uhr Thee trinken, ohne dazu Talent zu haben.
Weiter präfentirt sich der Lampenfuß in Thiergestalt:
eine Porzellaneule trägt auf dem Ropf eine Leuchte;
drei Reiher stützen mit schöpf oder Schnabelspitze
eine kleine runde Platte, die Basis des Bassins.
Auch der menschliche Rörper ist ein beliebtes
Lampenfußobjekt: Atlanten übernehmen die Rolle
der Reiher; mit müder Grazie sich windende Frauen-
leiber halten Fackeln in die pöhe, aus denen sich
das Petroleumbassin entwickelt; auch Geharnischte
bilden Lampenfüße; nicht gerade übel anzusehen,
doch höchst unbequem sind Dreifüße, die in einem
Ring den Leuchtapparat halten u. s. w. bis zu den
Lampen, die für ganz billiges Geld, fast für einige
Groschen in Bazaren und bei kleineren Spänglern

feilgehalten werden. Das sind aber nicht
minder entsetzliche Produkte einer Massen-
fabrikation, wie jene besseren und theueren
Lampen — und ohne Ausnahme ebenso
unbequem, unhandlich, unpraktisch.

Doch gerade diese kleinen billigen
Lampen verdienen in allererster Reihe
eine Verbesserung in Bezug auf Handlich-
keit, denn in all' den ksauswirthschaften,
welche sich ihrer bedienen, werden sie
nicht angezündet, uin vornehm auf einem
Tischchen, vor einem Spiegel stehen zu
bleiben, und von wohlberechneten Punkten
aus ein Zimmer anmuthig dämmerig zu
erhellen, sondern sie werden hin- und
hergeschleppt, um bald in der Rüche,
bald an der Nähmaschine, bald wieder
auf dem Eßtisch zu leuchten. Und da
muß man sich immer quälen, dies fast
ausnahmslos zu Uebergewicht neigende
Instrument um eins einzige enge Ein-
ziehung des Fußes zu fassen; nie kann
die Hand fest und bequem zugreifen, stets
niuß man unsicher balanciren. Jene
Gnyxsäule mit dem ewig korinthischen
Rapitäl enthält das einzig gesunde Mo-
ment, nämlich einen schlanken Schaft,
welcher der Hand Platz und Ruhe zu
voller nützlicher Rraftentfaltung bietet.
Der Gnyx und die antike Säule läßt sich
aber doch umgehen und das geradezu
Beleidigende dieser Geschmacksverirrung
läßt sich vermeiden.

Die hier abgebildete, in Rupfer ge-
triebene Lampe von Wilhelm 6c Lind
beweist es. Da entwickelt sich aus einer
großen, stabilen, runden, in guten Verhältnissen sich
bewegenden Platte ein nach oben sich verjüngender
Schaft, welcher schließlich in das Behältniß über-
geht, worin das mit einer kupfernen Abdeckung
versehene Bassin steckt. Das ist allerdings der
schwache Punkt der neuen Lampe, denn es wird
immer vortheilhaft sein, das Bassin controlliren
zu können, ohne daß man es aus seiner Hülle
herausheben muß, um gelegentlich nachzusehen, ob
noch genug Gel darin ist, ob der Docht nicht zu
kurz geworden oder ähnliches, alles Umstände, die
täglich eintreten, wie Zeder weiß. Eine Lösung in
diesem Sinne ist nicht schwer, ja sie gibt willkom-
inene Gelegenheit zur Entfaltung künstlerischer
Phantasie. Wilhelm 6c Lind sind im Begriff eine
billige derartige Lampe herzustellen, während die
erste mehr als Luxuslampe gedacht ist. Im Grunde

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