Moderne Aunstbestrebungen in Wien.
an die deutsche Renaissance und den
schlicht-gemütlichen süddeutschen Barock
den sicheren Untergrund geschaffen für
die Entwicklung einer nicht von Mode-
launen beherrschten, das Gute der
heimischen Tradition nicht verachtenden
bürgerlichen Baukunst und Innen
dekoration. Ghne Ruhinredigkeit darf
wohl darauf hingewiesen werden, daß
das wegen seiner „Alterthümclei" oft
verlästerte München in kürzester Zeit
an die Spitze der jüngsten fortschritt-
lichen Bewegung im deutscheil Am: st
gewerbe sich zu stellen vermochte. Das
ist kein Zufall! Hätte man früher in
Men etwas heimath-
stolze, am Lharak-
teristifchen sich freu-
ende Alterthünlelei
getrieben, wie sie auch
die englischen Refor-
matoren, die Rossetti,
Morris, Burne Jones
getrieben haben, es
wäre heilsamer ge-
wesen als jene inter-
nationale Moderni-
tät, deren äußerlicher,
alles Echte, boden-
wüchsig Eigenartige
verwischender und erstickender Firniß von Männern
wie Ruskin, Morris, Grane geradezu als das gefähr
lichste Gift für die Aunst unserer Zeit bekämpft wird,
lassen liun aber die moderilen Aunstbestrebungen in
Men einen Umschwung in dieser Einsicht erkennen?
Ich sehe davon nichts. I,n Gegentheil! Biele ihrer
Leistungen erscheinen mir geradezu als Sünden wider
xify
2-^8.
2-49. wandarm für elektr.
Glühlicht. Skizze von Jos.
Hans Weber, München.
den nur für das innerlich Mahre, echt
und tief Empfundene sich begeisternden,
allem oberflächlich phrasenhaften abholden
„heiligen Geist der Moderne", wie er in
den Schriften jener englischen Apostel
einer geläuterten Aunstauffassung sich
offenbart. In fundamentalen: Gegensätze
zu diesen: Geist scheint mir vor Allem
die künstlerische Gesinnung einer jüngeren
Mener Architekten-Gruppe sich zu äußern,
die aus dekorative Aunst und Aunsthand-
werk entscheidenden Einfluß auszuüben
beginnt und die mit dem selbstbewußten
Anspruch auftritt, den einzig wahren Weg
nach dem langersehnten Ziele eines mo-
dernen Stiles einge-
schlagen zu haben:
die Magner-Schule.
Professor ©tto
Wagner's Schrift
„Moderne Architek-
tur" habe ich nach
ihremErscheinen einer
kritischen Betrachtung
unterzogen. x) Uber
das theoretisch An-
fechtbare einzelner
dort vorgetragener
Grundgedanken,
deren Widerlegung
durch keinen Vertheidigungsversuch in Abrede gestellt
wurde, soll hier kein Wort mehr verloren werden.
Nicht überflüssig dürfte es aber sein, noch ein:::al
nachdrücklicher auf die manchmal grellen Widersprüche
hinzuweisen, die zwischen den theoretischen Grundsätzen
der Prograuunschrift und den Entwürfen und Bau-
ausführungen der Wagner-Schule zu Tage treten. Ein
Hauptsatz der Wagner'schen Schrift lautet: „DerArchitekt
hat immer aus der Aonstruktion die Aunstform zu
entwickeln." Der Satz und die weiteren Folgerungen,
die sich an ihn knüpfen, erwecken in ihrer Überein-
stimmung mit jetzt viel gehörten Schlagworten von:
Verhältniß der Form zu Aonstruktion und Material
bei dem arglosen Leser unwillkürlich die Vorstellung
daß die Schaffensweise der Wagner-Schule etwa in
der Richtung der Arbeiten van de Velde's oder Voysey's
sich bewege. Was aber zeigen die in großer Zahl
veröffentlichten Entwürfe und Bauten Wagner's
Lüster für elektrisches Glühlicht. Skizze von
Jos. Hans Weber, München.
*) Architektonische Zeitfragen. Line Sammlung und
Sichtung verschiedener Anschauungen mit besonderer Beziehung
auf Professor Vtto wagner's Schrift „Moderne Architektur"
von Richard Streiter. Berlin 4893. (Losmos, Verlag für
Aunst und Wissenschaft.)
470
an die deutsche Renaissance und den
schlicht-gemütlichen süddeutschen Barock
den sicheren Untergrund geschaffen für
die Entwicklung einer nicht von Mode-
launen beherrschten, das Gute der
heimischen Tradition nicht verachtenden
bürgerlichen Baukunst und Innen
dekoration. Ghne Ruhinredigkeit darf
wohl darauf hingewiesen werden, daß
das wegen seiner „Alterthümclei" oft
verlästerte München in kürzester Zeit
an die Spitze der jüngsten fortschritt-
lichen Bewegung im deutscheil Am: st
gewerbe sich zu stellen vermochte. Das
ist kein Zufall! Hätte man früher in
Men etwas heimath-
stolze, am Lharak-
teristifchen sich freu-
ende Alterthünlelei
getrieben, wie sie auch
die englischen Refor-
matoren, die Rossetti,
Morris, Burne Jones
getrieben haben, es
wäre heilsamer ge-
wesen als jene inter-
nationale Moderni-
tät, deren äußerlicher,
alles Echte, boden-
wüchsig Eigenartige
verwischender und erstickender Firniß von Männern
wie Ruskin, Morris, Grane geradezu als das gefähr
lichste Gift für die Aunst unserer Zeit bekämpft wird,
lassen liun aber die moderilen Aunstbestrebungen in
Men einen Umschwung in dieser Einsicht erkennen?
Ich sehe davon nichts. I,n Gegentheil! Biele ihrer
Leistungen erscheinen mir geradezu als Sünden wider
xify
2-^8.
2-49. wandarm für elektr.
Glühlicht. Skizze von Jos.
Hans Weber, München.
den nur für das innerlich Mahre, echt
und tief Empfundene sich begeisternden,
allem oberflächlich phrasenhaften abholden
„heiligen Geist der Moderne", wie er in
den Schriften jener englischen Apostel
einer geläuterten Aunstauffassung sich
offenbart. In fundamentalen: Gegensätze
zu diesen: Geist scheint mir vor Allem
die künstlerische Gesinnung einer jüngeren
Mener Architekten-Gruppe sich zu äußern,
die aus dekorative Aunst und Aunsthand-
werk entscheidenden Einfluß auszuüben
beginnt und die mit dem selbstbewußten
Anspruch auftritt, den einzig wahren Weg
nach dem langersehnten Ziele eines mo-
dernen Stiles einge-
schlagen zu haben:
die Magner-Schule.
Professor ©tto
Wagner's Schrift
„Moderne Architek-
tur" habe ich nach
ihremErscheinen einer
kritischen Betrachtung
unterzogen. x) Uber
das theoretisch An-
fechtbare einzelner
dort vorgetragener
Grundgedanken,
deren Widerlegung
durch keinen Vertheidigungsversuch in Abrede gestellt
wurde, soll hier kein Wort mehr verloren werden.
Nicht überflüssig dürfte es aber sein, noch ein:::al
nachdrücklicher auf die manchmal grellen Widersprüche
hinzuweisen, die zwischen den theoretischen Grundsätzen
der Prograuunschrift und den Entwürfen und Bau-
ausführungen der Wagner-Schule zu Tage treten. Ein
Hauptsatz der Wagner'schen Schrift lautet: „DerArchitekt
hat immer aus der Aonstruktion die Aunstform zu
entwickeln." Der Satz und die weiteren Folgerungen,
die sich an ihn knüpfen, erwecken in ihrer Überein-
stimmung mit jetzt viel gehörten Schlagworten von:
Verhältniß der Form zu Aonstruktion und Material
bei dem arglosen Leser unwillkürlich die Vorstellung
daß die Schaffensweise der Wagner-Schule etwa in
der Richtung der Arbeiten van de Velde's oder Voysey's
sich bewege. Was aber zeigen die in großer Zahl
veröffentlichten Entwürfe und Bauten Wagner's
Lüster für elektrisches Glühlicht. Skizze von
Jos. Hans Weber, München.
*) Architektonische Zeitfragen. Line Sammlung und
Sichtung verschiedener Anschauungen mit besonderer Beziehung
auf Professor Vtto wagner's Schrift „Moderne Architektur"
von Richard Streiter. Berlin 4893. (Losmos, Verlag für
Aunst und Wissenschaft.)
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