Moderne Kunstbestrebungen in Wien.
255. Leuchter, Entwürfe von M. A. Nicolai, München.
der spezifisch modernen Pflanzenornamentik entnommen
ist. Sonst begegnen uns allenthalben die altbekannten
ornamentalen und plastischenSchmuckmittel derLrociuis
6'arcbitecture: Festons, Scheiben, Aränze, palmzweige,
Schilde, antike Palmetten-, Band- und Pfeifenmotive,
Masken, Dreifüße, Schiffsschnäbel, Trophäengehänge,
Aränze - schwingende Viktorien, stehende, sitzende,
liegende Löwen u. s. w. Zener wichtigen, höchst
erfreulichen Neubelebung und Bereicherung der Orna-
mentik durch den gesteigerten Natursinn der jüngsten
Aunstperiode, durch intim beobachtete, frei stilisirte
Formen der heimischen Pflanzen- und Thierwelt, ver-
mag eben der architektonische Alassizismus der Wagner-
Schule wenig Rauin zu gewähren. Wie dieses spröde
Verhalten gegen eine der unbestreitbarsten Errungen-
schaften der modernen dekorativen Aunst, so läßt
noch ein früher schon angedeuteter Zug Zweifel an
der Echtheit der Wagner'schen Modernität auskommen:
es ist das steife, pathetische, zur monumentalen Phrase
hinneigende Wesen dieses Neu-Alaffizismus. Bei fast
allen der über Gebühr gepriesenen Bauten der vor-
jährigen Jubiläums - Ausstellung im Prater machte
sich die monumentale und dekorative Phrase, manch-
mal bis zur Schwülstigkeit, breit. Ziemlich frei von
diesem Fehler — wenn auch nicht ganz — war wohl
nur der Pavillon der Stadterweiterung von Max
Fabiani, die eigenartigste und reifste Leistung unter
den zum Theil recht unfeinen Baulichkeiten an der
Paupt-Allee. Wir vergessen nicht, daß bei derartigen
nur auf kurze Dauer berechneten, mit minderwerthigen
Materialien hergestellten Bauten die dekorative Phrase
weit leichter sich einstellt als bei fester Architektur.
Um so mehr aber dürfen wir Einspruch erheben,
wenn von Wien aus jene Bauten als Offenbarungen
eines neuen Stiles, als Marksteine in der Entwick-
lung der modernen Aunst angekündigt werden.
Was für diesen Fall gilt, gilt mehr oder weniger
allgemein. Das mag die vorstehende kritische, Manchem
vielleicht allzu kritische Betrachtung der Wiener Ver-
hältnisse erklären und rechtfertigen. Wir nehmen
regen Antheil an den Schicksalen, an den Aämpfen
und Liegen eines frischen, jugendmuthig vorwärts
drängenden künstlerischen Lebens in der schönen Aaiser-
stadt an der Donau; wir wissen die dort sich hervor-
255. Leuchter, Entwürfe von M. A. Nicolai, München.
der spezifisch modernen Pflanzenornamentik entnommen
ist. Sonst begegnen uns allenthalben die altbekannten
ornamentalen und plastischenSchmuckmittel derLrociuis
6'arcbitecture: Festons, Scheiben, Aränze, palmzweige,
Schilde, antike Palmetten-, Band- und Pfeifenmotive,
Masken, Dreifüße, Schiffsschnäbel, Trophäengehänge,
Aränze - schwingende Viktorien, stehende, sitzende,
liegende Löwen u. s. w. Zener wichtigen, höchst
erfreulichen Neubelebung und Bereicherung der Orna-
mentik durch den gesteigerten Natursinn der jüngsten
Aunstperiode, durch intim beobachtete, frei stilisirte
Formen der heimischen Pflanzen- und Thierwelt, ver-
mag eben der architektonische Alassizismus der Wagner-
Schule wenig Rauin zu gewähren. Wie dieses spröde
Verhalten gegen eine der unbestreitbarsten Errungen-
schaften der modernen dekorativen Aunst, so läßt
noch ein früher schon angedeuteter Zug Zweifel an
der Echtheit der Wagner'schen Modernität auskommen:
es ist das steife, pathetische, zur monumentalen Phrase
hinneigende Wesen dieses Neu-Alaffizismus. Bei fast
allen der über Gebühr gepriesenen Bauten der vor-
jährigen Jubiläums - Ausstellung im Prater machte
sich die monumentale und dekorative Phrase, manch-
mal bis zur Schwülstigkeit, breit. Ziemlich frei von
diesem Fehler — wenn auch nicht ganz — war wohl
nur der Pavillon der Stadterweiterung von Max
Fabiani, die eigenartigste und reifste Leistung unter
den zum Theil recht unfeinen Baulichkeiten an der
Paupt-Allee. Wir vergessen nicht, daß bei derartigen
nur auf kurze Dauer berechneten, mit minderwerthigen
Materialien hergestellten Bauten die dekorative Phrase
weit leichter sich einstellt als bei fester Architektur.
Um so mehr aber dürfen wir Einspruch erheben,
wenn von Wien aus jene Bauten als Offenbarungen
eines neuen Stiles, als Marksteine in der Entwick-
lung der modernen Aunst angekündigt werden.
Was für diesen Fall gilt, gilt mehr oder weniger
allgemein. Das mag die vorstehende kritische, Manchem
vielleicht allzu kritische Betrachtung der Wiener Ver-
hältnisse erklären und rechtfertigen. Wir nehmen
regen Antheil an den Schicksalen, an den Aämpfen
und Liegen eines frischen, jugendmuthig vorwärts
drängenden künstlerischen Lebens in der schönen Aaiser-
stadt an der Donau; wir wissen die dort sich hervor-