Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 49.1898-1899

DOI Artikel:
Habich, Georg: Villa Stuck
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.7000#0220

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Villa Stuck.

285. Villa Stuck; Ateliereingang.

völlig selbständiger weise
eine neue Anwendung ge-
funden haben, freilich,
man muß die Material-
wirkung kennen, um den
rothbraunen Mahagoni
so leicht und gefällig zu
biegen, und ein Farben-
künstler gehört dazu,
um zu fühlen, wie reiz-
voll diese polzfarbe steht
zu dem Goldgelb des
seidenen Bezugs, zu dem
Messing der Beschläge
und Trägerfiguren, wie
zu dem Elfenbein der
zierlichen Intarsiamuster.

Wiewohl auch diese Dinge
unnachahmbar sind, so
möchten sie doch wohl
ein gut Theil dazu bei-
tragen, das ästhetische Empfinden im Stirne von
Formenstrenge, Formenklarheit und-Reinheitzu läutern,
und wenn diese Publikation etwas dazu beitrüge,
dem barocken Ungeschmack der jüngsten Vergangen-
heit, wie den Ausschweifungen des modernsten Linien-
kultus entgegenzuwirken, so hätte sie einen ihrer
Pauptzwecke erreicht.

In Stuck's eigentlicher Kunst, in seiner Malerei,
tritt das geschilderte formale Prinzip neuerdings ntehr
und mehr zurück. Auch wenn er antikes Leben in
antiken Motiven darstellt, bleibt Stuck doch so sehr
Maler, daß er den prinzipiellen Gegensatz zwischen
seiner Aunst und diesen ganz eigentlich plastisch
konzipirten Dingen voll empfindet. Wohl aber finden
sich, was die Farbe betrifft, in dem Pause dieselben
Effekte wie in seinen Bildern: starke Aontraste,

wie Roth neben Schwarz, metallisches Grün und
Elsenbeingelb, Gold und Blau — wer denkt da
nicht an die „Sünde", den „Arieg", die „Sphinx"
u. s. w.! Indeß nirgends wirken diese starken Gegen-
sätze schreiend: Stuck ist eben nicht nur Farben-
künstler, sondern auch ein Meister der Beleuchtung.
Ihn blenden nicht die goldenen Pfeile der Sonne,
aber er kennt auch die malerischen Geheimnisse des
farbigen Dämmerlichtes, ja ein gewisser pang zum
Mysteriösen und Geheimnißvollen bildet einen Grund-
zug seines künstlerischen Wesens. Und wollte man
den grundsätzlichen Unterschied zwischen seiner Ge-
schmacksrichtung und wahlverwandten Erscheinungen
aus der Aunstgeschichte bezeichnen, so liegt derselbe
in der psychologisch wie kunstgeschichtlich gleich merk-
würdigen Verbindung stilisirender Tendenzen der Form

mit dem magischen Zauber eines tiefen und
schweren Kolorits.

Diese Beleuchtungskunst verleugnet Stuck auch
als Architekt nicht, wir haben bereits auf die eigen-
artige Plazirung der Beleuchtungskörper oberhalb
der Fenster hingewiesen. Abgesehen davon, daß der
Künstler wahrscheinlich die prächtigen Plafonds, die
seine besondere Liebe zu sein scheinen, nicht durch
Lüsters und dergl. unterbrechen wollte, so hat er
auf diese weise bei Tag und Nacht die Lichtquelle
an der gleichen Stelle, pierauf nimmt nicht erst
die fertige Zimmereinrichtung, sondern schon der
Grundriß des pauses Rücksicht. Ist doch die Licht-
quelle überall so angeordnet, daß dem Eintretenden
die blendende pelle niemals entgegenfällt, sondern
jeder neue Raum in seitlicher Beleuchtung vor ihm
liegt, nicht anders wie ein Kunstwerk im Maler-
atelier. Dabei sind, wie wir nachträglich erwähnen
müssen, die Zimmer des Erdgeschosses nur durch
verschiebbare Portieren getrennt, so daß der Blick
iimner eine Reihe von Räumen zugleich umfassen
und sich an dem reichen Wechsel von fein berechneten
Stimmungen und Lichtntischungen weiden darf.

So tritt dem Besucher allenthalben der Geist des
Erbauers allgegenwärtig entgegen; überall dieselbe
Meisterschaft, die ja in „dekorativen Dingen" auch
seine Gegner ihm nicht abstreiten, freilich nicht ohne
den Begriff des Flüchtigen, das man feit Tiepolo
mit dem Worte „Dekoration" verbindet, oder des
Aeußerlichen, das Makart ihm angeheftet hat, dabei
besonders zu betonen. Indeß Stuck hat mit dieser Art
nichts gemein; was er ihr als Maler etwa nachgiebt,

Aunst und Handwerk. -19. gahtg. Heft 7.

20;

28
 
Annotationen