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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 49.1898-1899

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Zimmermann, Ernst: Das Kunstgewerbe auf der "deutschen Kunstausstellung" zu Dresden , [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7000#0311

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Das Kunstgewerbe auf der Deutschen Kunstausstellung zu Dresden.

\26. Deutsche Stube von Hermann Billing; Ausführung der Möbel
von G. Bausback, Karlsruhe.

zur Besichtigung von Kunstblättern. Es ist also eigent-
lich mehr ein Salon mit Gelegenheit zum Musiziren,
als ein ausschließliches Musikzimmer, durchaus aber
ein Luxusraum zur Erholung non des Tages Mühen,
zum Genüsse moderner Kultur. Wie hat Riemer-
schniidt diesen Raum durchgeführt? So einfach, so
selbstbeschränkend als irgend möglich. Konstruktion
an allen Ecken und Enden, Dekoration nur ganz
verschüchtert, als hätte die Ausstellungsleitung es nicht
recht erlaubt. Man gehe die Einzelheiten durch!
Wände und Decken sind glatt, erstere bis zur halben
pöhe mit Tapeten beklebt, das Muster ein feines,
unruhiges Nebcneinandergewinde dünner, verschieden-
farbiger Linien, die sich nach Art Segantinischer Ge-
mälde erst auf der Netzhaut zu vibrirenden Farben-
wirkungen — bei der Nische braun, inr übrigen bläu-
lich — vereinen. Abgeschlossen nach oben wurden sie
in der Nische durch einen Stuckfries unbestiminbarer,
nur durch Flächenbewegung, nicht durch Linien wir-
kender Blätter, in der Ausführung in Bronze ge-
dacht, ringsum im Zimmer durch feine, parallele,
schwankende, sich ringelnde, wie ein Aehrenfeld auf-

steigende, braune Linien, das einzige
als Ornament wirkende Element dieses
Raumes. Die Nische ziert noch Floß-
mann's bekanntes, in die Mauer
eingelassenes Beethovenrelief.

Einfach wie die Umgebung ist
gleichfalls der Inhalt. Auch hier Kon-
struktion und nichts als Konstruktion,
an Bänken, Tischen und Stühlen und
an den Notenpulten, nur leicht belebt
durch jene geschwungenen Linien, ohne
welche die moderne Kunst nicht mehr
auskommt, zum Theil freilich, wie bei
Öen Stühlen, schon durch die Zweck-
mäßigkeit der Form bedingt. Dies
alles angewandt an Naturholz, freilich
einem herrlichen, alten, graufarbigen
Wassereichenholz, das sich Jahrhunderte
lang unter Wasser befunden haben
soll und wohl die Schuld an der dies-
maligen Enthaltsamkeit des Künstlers
trägt, bjin und wieder freilich braun-
polirte Zuthaten, auf den Pultflächen
der Notenständer, als Einfassung der
Glasthüren des Schranks u. s. w., deren
Glanz und Farbe jedoch nicht glück-
lich zu dein inatten Grau des Eichen-
holzes stehen dürfte. Ostentativ sind
die Musikinstrumente auf ein Podium
von rohem Tannenholz gestellt, ihre
Wirkung doppelt mager gestaltend.

Wie seltsam „originell" ist diese Konstruktion
im Einzelnen! An den Stühlen strecken die Hinter-
beine kräftigst nach hinten aus, verbinden Streben
die Enden der Borderbeine mit den Enden der
Lehnen, als gelte es eine ungeheure Last zu tragen.
Und doch dürften gerade diese Streben, die wie
pebel den Druck des Körpers auf die Lehne zu den
Beinen herabführen, diese in ihrem festen Gefüge
gefährden. Die Notenpultenpaare — es sind immer
zwei schräge an einander konstruirt — aber sehen
aus wie die Lösung einer geometrischen Schulaufgabe,
aus einer gegebenen Anzahl Bretter und Leisten ein
Notenpult im Dreieck zu konstruiren. So ziemlich
alles ist unmittelbar aus dem Brett herausgeschnitten.
Das mag geistreich sein, wirkt aber doch trocken,
sicher gesucht. Und was sagt die musikalische Praxis
zu solch siamesischem Zwillingspaare? Ja, wenn es
bei den Menschen keine verschiedene Sehweite und
Körpergröße gäbe! So ist es ein Unding, daß in
einem Quartelt nicht jeder die Höhe seines Pultes
nach eigenem Belieben bestimmen kann, ganz ab-
gesehen, daß ein einziger Umfall die künstlich zu-

ess
 
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