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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 49.1898-1899

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Zimmermann, Ernst: Das Kunstgewerbe auf der "deutschen Kunstausstellung" zu Dresden , [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7000#0314

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Das Kunstgewerbe auf der Deutschen Kunstausstellung zu Dresden.

429. Kinderzimmermöbel von K. Bertfch; Friese gemalt von ©. Ubbel0hde.
Vereinigte Werkstätten für Kunst im Handwerk, München.

gilt es, nicht die Versimpelung. Das
Publikum, und selbst das gebildetste,
verlangt nicht nach dieser Askese. Im
Gegentheil, es steht ja mitten im
Protzengeschmack, dein anderen Extrem,
darin, und schwerlich wird man es
zur reuigen Buße zurückführen, indem
man ihn: gleich alle die lieben Ge-
wohnheiten beschneidet. Diese ganze
Kunst ist Erziehungskunst und hat als
solche ja gewiß ihren großen er-
zieherischen Werth. Aber erwachseitc
Menschen, große Kinder muß man
behutsam erziehen, unmerklich. Sonst
merkt man die Absicht und wird ver-
stinnnt.

Gewiß ist diese Reaktion des Zu-
wenig gegen das Zuviel nicht bloß
eine psychologisch-ästhetische, auch eine
praktisch-ökonomische. Die Handarbeit,
früher allein zu aller Kunst privilegirt,
hat in der modernen Maschine die ge-
fährlichste Konkurrentin erhalten, Kon-
kurrentin freilich bisher mehr hinsicht-
lich der Quantität als der Qualität.

Doch in unserem Massenzeitalter trium-
phirt die Masse. Der Maschine ist der
endliche Lieg gewiß, und alles Streben
muß daher darauf gerichtet sein, die
Qualität des mechanischen Kunstschaffens zu steigern.
Das ist schon mehr geschehen, als man gewöhnlich meint.
Ich denke an die vervielfältigenden, die graphischen
Künste. Die Zweige der dekorativen Künste, die mit
jenen Berührung haben, die Tapeten, Stoffdrucke,
Plakate u. s. w., befinden sich daher überall in
künstlerischer Steigerung. Was auf diesem Gebiete
fehlt, ist die Plastik, das plastische Element der Deko-
ration, und hier die Brücke von Mechanik zur Kunst
zu finden, dem sollte aller Witz der nächsten Zukunft
gelten.

Wäre es wirklich so schwer gewesen, mit wenig
Mitteln einen künstlerisch wirkenden Musiksaal dar-
zustellen? Meiner Ansicht nach kann in einem solchen
Raum eine volle Harmonie nur vom Klavier ausgehen,
wenn man dies nicht, wie bisher, als völlig exotisches
Gewächs im Raum für sich betrachtet. Sein Wesen
verträgt keine die Resonanz beschwerende Plastik.
Warum bemalt man es nicht, wie man es früher
mit den alten Spinetten that, wie es perkonier in
England und Andere bereits wieder versucht haben?
Sonst bleibe man bei der bisherigen Veredlung des
Holzes stehen. In beiden Fällen muß Farbe der
künstlerische Ausgangspunkt für die Gestaltung des

Gesammtraumes fein, Farbe — der Doppelsinn Ton
sagt es schon zu Genüge — das eigentlich künst-
lerische Aequivalent für die Musik. Ein ausgesprochen
farbig gestimmtes Zimmer ohne Drnamentik verleiht
den: Auge die nöthige Ruhe und Stille, daß das
Ghr ganz dem Reich der Töne sich hingeben kann.
Rnsere meisten Konzertsäle mit ihrem Hellen Anstrich
sind künstlerische Anomalien. Auf jeden Fall aber
wird ruhige Farbenharmonie besser wirken als jenes
krause, fragezeichenartige ^iniengewirr, das Riemer-
schmidt gegeben, und das überdies stark im Verdacht
der Symbolik steht. Soll es nicht das Vibriren der
Töne bildnerisch wiedergeben?

Die Frühstücksstube des Architekten Dülfer in
München, welche zu jenem Musikzimmer das Seiten-
stück bildet, ist an sich unzweifelhaft einer der wirkungs-
vollsten Gesammträume dieser Ausstellung (Abb.
und ^25). Das Helle, saubere, polirte gelbe Tannen-
holz gibt hier den Grundton, die Stimmung an. Die
Wände sind gleichmäßig in halber Höhe mit Wand-
getäfel umzogen, das unten Schränke, dann offene, zum
Theil von gedrehten Säulen getragene Borte enthält,
nur unterbrochen von der großen, klar gegliederten
Fensterwand, einer hier sehr fremdartig wirkenden

Aunst und Handwerk. 49. Iahrg. Heft U.

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