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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 49.1898-1899

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Hagen, L.: Von der Berliner Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7000#0320

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von der Berliner Aunstausstellung.

^35. Zeitungsmappe. Entwurf von £. Siitterlin, Ausführung von !v. Lollin, Berlin.

(V4 der wirkl. Größe.)

Lederschnittarbeit durch
Hinzunahme der Farbe
zu erhöhen, ist bei diesen
neuen Arbeiten in einer
Weise gelungen, die denr
Material vollkommen ge-
recht wird.

Die Lederschnittarbeit
war in der Zeit der 5pät-
gothik in Deutschland viel
geübt worden, aber schon
während der Renaissance
ganz in Vergessenheit ge-
raten. In der Renaissance-
periode der siebziger Jahre
erlebte sie, wie so manche
andere Aunsttechnik, ihre
Wiedergeburt durch Franz
v. Seist, Otto Hupp und
später Paul Attenkofcr in
München, sowie ungefähr
gleichzeitig durch Georg
Hulbe in Hamburg J),
der, angeregt von Justus
Brinckmann, diese alte
Technik wieder aufnahm.

Seit dieser Zeit hat die
Lederschnittarbeit ununter-
brochen beim Publikum
in hoher Gunst gestanden
und sich besonders in
Hamburg, München und
Leipzig, zu einer blühenden Industrie entwickelt.

Wollte man der Lederschnittarbeit auch einen
farbigen Schmuck geben, so standen für die Bema-
lung nur Mel- oder Lackfarben zur Verfügung, die
einestheils sich als nicht sonderlich haltbar erwiesen
und andrerseits das Material so verdeckten, daß der
Reiz der genarbten Oberfläche verloren ging.

Durch das bei den Tollin'fchen Arbeiten ein-
geschlagene technische Verfahren wird das Leder nicht
bemalt, sondern gefärbt; die Textur, das Aorn
der Narbenseite — ein Hauptreiz des Leders — bleibt
also sichtbar. Nachdem die Tontouren des Musters
mit dem Messer in das Rindsleder, das allein für
diese Arbeiten verwendet wird, eingeschnitten sind,
werden die verschiedenen farbigen Beizen aufgetragen,
die in die Poren des Leders eindringen und so eine
äußerst haltbare Färbung Hervorbringen. Die Farben,
die thcils in größeren Flächen, thcils in sehr wirkungs-

i) vgl. den Nachruf auf p. Attenkofer im Jahrg. ;8JS
der Zeitfchr. des Bayer. Aunstgewerbevereins 5. 29 ff.

voller Spritzmanier auf das Leder gebracht werden,
sind so gewählt, daß sie mit der natürlichen gelb-
braunen Färbung des Leders harmonieren; die Ar-
beiten sind vorwiegend in rothen, dunkelbraunen,
blauen und grünen Tönen gehalten.

In den Mustern beschränkt sich der Aünstler
auf eine reine Flächenverzierung, da er bei denr far-
bigen Schmuck des Materials auf die Punzung und
die reliefmäßige Treibarbeit, durch die man den
Lederschnittflächen bisher mehr Bewegung und Leben
gegeben hatte, verzichten konnte. Die Muster Lütter
lin's bestehen zu einem Theil in einem gefälligen Spiel
von schön bewegten Linien und verschlungenen Bän
dern, wie sie die neue Stilrichtung erfunden hat, zunr
anderen Theil in einfachen naturalistischen Pflanzen-
motiven. Die hier abgebildete Zeitungsmappc lehnt
sich mit ihren aufeinander losfahrenden Hähnen in
glücklicher Weise an japanische Vorbilder an. Tin
Photographie-Aästchen zeigt auf dem Deckel eine ein-
fach stilisirte Landschaft und weist damit aus die
Bestimmung des Uästchens hin.

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