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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 49.1898-1899

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Muthesius, Thomas: Englische und kontinentale Nutzkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7000#0348

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Englische nnt> kontinciitnle Nutzkunst.

-lso. Wandteppich. Entwurf von Malter Leistikow,

Denn ob die thatfächlichen Leistungen jetzt so oder so
gewerthct werden, kann bei der Abhängigkeit und
Subjektivität alles menschlichen Urtheils für den end-
gültigen Rulturwerth einer Zache nicht maaßgebend
sein. Wohl aber fällt dafür in's Gewicht, wie tief
eine Rulturerscheinung einzuschneiden, welchen Boden
sie sich zu erobern im Stande ist.

Was beide Bewegungen von vorn herein so
außerordentlich von einander verschieden macht, ist
ihr verschiedenes Lebensalter. Die englische wurde
anfangs der sechziger Jahre geboren, die unsere vor
einigen fahren. Langsam entwickelte sich in England
damals die neue Formensprache, die William Morris,
dieser bewundernswürdige, geniale Mann in seinen
zahlreichen Entwürfen für Möbel, Teppiche, Tapeten,
Stoffe, Glasfenster und Geräthe anzuwenden begann.
Es ist wahr, daß sie sich ganz auf gothischer Grund-
lage bewegte, aber sie war innerhalb dieser Grenzen
frei und sogar schöpferisch. Schon damals war ein
neuer Untergrund, auf dem er weiterbauen konnte,
vorhanden, und zwar durch das Wirken des Gothikers
Pugin, der fein ungemein thatenreiches Leben (er
starb f852 im Alter von HO Jahren) in der Wieder-
erweckung eines gothischen Handwerkes erschöpft und
im englischen Parlamentshause, unter Barry selbständig

Berlin, Ausführung von Frieda kjansen, Lhristiania.

arbeitend, reichlich Gelegenheit zu einer fruchtbringenden
Bethätigung gehabt hatte. Außerdem bestand in Eng-
land bereits seit dem Jahre s838 eine kunstgewerbliche
Zeichenschule und schon Anfangs der fünfziger Jahre
war man an die große Organisation des von dem
South Rensington-Museum ausgehenden Zeichen-
unterrichtes gegangen, dessen Verzweigungen seitdem
mit Eifer und erstaunlicher Folgerichtigkeit über das
ganze Land ausgebreitet worden sind. So stand
Morris bereits vor etwas Thatsächlichem, als er in
den sechziger Jahren zu arbeiten begann. Trotzdem
arbeitete er zunächst nur für eine ganz kleine Gemeinde.
Zeine Gedanken halten sich eben gegen ein Uebermaaß
von Unverstand, Ztumpfsinn und bequeme Gewohnheit
durchzuringen. Die Zpannung, die bei uns vorlag,
war damals nicht vorhanden, die Stimmung für das
Neue wurde erst geschaffen, durch Ruskin im aus-
gedehntesten und fruchtbarsten Zinne literarisch, in
der Malerei und Dichtung durch Rosetti, in den
häuslichen Rünsten durch Morris, Ford Maddox
Brown, Burne-Jones, in der Architektur durch
Norman Zhaw, Zedding, Philip Webb, Nesfield.
Aber mit Beginn der siebziger Jahre war die neue
Runst da, wenn auch die neuen Formen zunächst
nur im Reime sprießten. Erst von den Männern,
 
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