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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 65.1914-1915

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Buchner, Georg: Was soll der Künstler, der Maler, von der Chemie wissen?, [4]: eine Einleitung zur Materialkunde
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https://doi.org/10.11588/diglit.8768#0179

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Zustand, in dem er sich zeitlich befindet, seine Er-
scheinungsform, wodurch dann lediglich feine will-
kürlichen Eigenschaften eine Änderung erfahren
(physikalische Zustands Änderungen).

Es handelt sich bei unseren Betrachtungen ebenso
um die durch die chemischen Einwirkungen, sei es
der Luftbestandteile, sei es der Bindemittel oder
der strahlenden Energien, bewirkte tiefgreifende
stoffliche Zustandsänderung der Malerfarbstoffe,
als auch um die zahlreichen Möglichkeiten der Zu-
standsänderung anderer Art, sog. physikalischer
Natur. Letztere Veränderungen sind so mannigfach,
daß sie für den Maler eine ebenso große, ja viel-
leicht noch größere,Bedeutung ^haben als die weniger

die Reduktion gelber und roter Lhromfarben durch
den Einfluß der Bindemittel und des Lichtes zu
mißfarbigen Produkten (siehe unsere gelben mit
Chromgelb gestrichenen Briefkästen der Post), die
Veränderungen organischer pflanzlicher und künst-
licher Farbstoffe (Kohlenstoffverbindungen) unter
dem Einfluß der strahlenden Energie des Sonnen-
lichtes, Veränderung von Farben durch den Einfluß
von Bindemitteln u. dgl.

Die organischen Farbstoffe besitzen einerseits,
wie alle Kohlenstoffverbindungen, eine gewisse
Trägheit, eine Langsamkeit ihrer Reaktionen, wo
Bindungen gelöst oder geschlossen werden sollen;
dieser Eigenschaft verdanken diese Stoffe, eigentlich

Lugen Julius Schnrid

umfangreichen, tiefgehenden chemischen Zustands-
änderungen. Auch sind diese Zustandswandlungen
oft so in die Augen springend, daß sie dem Nicht-
wissenden tiefergreifende chemische Veränderungen
Vortäuschen. Allerdings in der Wirkung für den
Maler sind alle diese Zustandsänderungen, gleich-
viel welcher Art, gleich schädlich; weder die chemi-
schen noch die physikalischen Veränderungen sind,
mit wenigen Ausnahmen, ohne weiteres rückgängig
zu machen, sie sind irreversibel. —

Als Beispiele tiefergehender stofflicher (che-
mischer) Veränderung seien angeführt:
die Umwandlung von Blei- und Kupferfarben
durch Einwirkung schwefelwasserstofshaltiger Lust
in schwarze Schwefelverbindungen, die Gxydation
der hellgelben Kadmiumgelb-Modifikation zu farb-
losen Verbindungen durch den Sauerstoff der Luft,

instabiler Natur, ihre Stabilität; anderseits ermög-
licht diese Trägheit den Aufbau von Molekülen,
deren atomistische Anordnung eine sozusagen über-
mäßig komplizierte und gespannte ist (ähnlich wie
ein zu kühn gebautes Kartenhaus), daß durch einen
mehr oder weniger großen Anstoß von seiten irgend-
einer Energieform das Gleichgewichtssystem aus
dem Gleichgewichte gebracht, neue Gleichgewichte
und damit eine stabilere Atomanordnung aufgesucht
wird. Zu den physikalischen Zustandsände-
rungen gehören außer den stets durch Temperatur-
schwankungen vor sich gehenden Volumänderungen
(Ausdehnungen und Kontraktionen) vor allem
die Modifikationsänderungen polymorpher Stoffe,
Übergang von dem amorphen in den kristallinischen
Zustand, Änderung der Struktur und des vertei-
lungs- bzw. Zerteilungsgrades von seiten der Ober-
 
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