Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 65.1914-1915

DOI Artikel:
Buchner, Georg: Was soll der Künstler, der Maler, von der Chemie wissen?, [4]: eine Einleitung zur Materialkunde
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8768#0180

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
flächenenergie, Trennung des molekularen Zu-
sammenhanges disperser Gebilde, OZuellungen,
Schrumpfungen, wie z. B. kolloidaler Systeme*),
Verdichtungen usw.

Beispiele dieser Art sind die Schwarzfärbung des
Zinnobers, die sog. Krankheit des Ultramarins und
der Grünerde (siehe pettenkofer, „Uber Ölfarbe",
\872), das Nachdunkeln der Erdfarben, das Trüb-
werden der Lfarzüberzüge usw. Derartige Zustands-
änderungen kann man überall beobachten. Unsere
Gläser, diese glasigen Silikate, welche schon, wenn
auch in geringem Grade, beständig durch Säuren
und Alkalien einen chemischen Angriff, eine chemische
Zustandsänderung erleiden, verändern sich im Laufe
der Zeit in der Art, daß sie durch Vergrößerung

letztgeschilderten Beispiele; sie können dann nur
durch geeignete wissenschaftlich-experimentelle Ar-
beiten oder auch durch stattfindende indirekte Wir-
kungen nachgewiesen werden. Die Farbstoffe, die
der Maler, mit Bindemitteln vermischt, benutzt,
sind ausnahmslos feste Stoffe; es handelt sich
daher bei unseren Betrachtungen der Farben uns
noch eingehender über die allgemeinen Ver-
hältnisse des Zustandes und der Zustands-
änderung von Stoffen der festen Formart
oder des festen Aggregatzustandes zu unter-
richten.

Die festen Stoffe haben im Gegensätze zu den
Flüssigkeiten und den Gasen nicht die Tendenz, sich
zu mischen, sondern diejenige, sich zu trennen, ab-

Lugen Julius Schund

ihrer submikroskopischen Kriställchen trübe, undurch-
sichtig werden, ja sogar zerfallen. Jedermann kann
den Übergang des amorphen glasigen Zuckers im
Laufe der Zeit in die kristallinische Form, an dem
Trübwerden der anfangs durchsichtigen Malzbon-
bons oder des Königs beobachten. Derartige physi-
kalische Veränderungen verändern auch oft das
chemische Verhalten; stark geglühte Magnesia z. B.
verändert, ohne jede stoffliche Veränderung, ihre
Struktur, ihren Verteilungsgrad, wird härter ufw.,
so daß sie nicht mehr wie die schwächer geglühte
Magnesia wasseraufnahmsfähig ist oder mit Magne-
siumchlorid zu sog. Magnesiazement erhärtet.

Gft treten derartige Zustandsänderungen nicht
augenfällig in die Erscheinung, wie z. B. in dem

i) Siehe Georg Büchner: „Malerfarben und Rol-
lo i d ch e m i e", Münchener Runsttechnische Blätter, IX. Jahr-
gang, Nr. 18 u. 19.

zusondern, unter der Mitwirkung der Kapillarkräfte.
Den Flüssigkeiten nahe stehen die formlosen sog.
amorphen Stoffe wie z. B. Pech, Asphalt usw.,
welche eigentlich, da sie nach allen Richtungen
gleichwertig (isotrop) sind, zu den Flüssigkeiten ge-
hören und ihren anscheinend festen Zustand nur
der großen inneren Reibung ihrer kleinsten Teilchen
verdanken (Verhalten des Asphalts in der Malerei),
von besonderer Bedeutung ist folgendes: während
nach unseren heutigen Kenntnissen ein Stoff nur
auf eine Art ein Gas oder eine Flüssigkeit sein
kann, ist er in der festen Formart imstande, in
mehr als einer Form aufzutreten. Die An-
zahl der Zustandsformen eines festen Stoffes ist
unbegrenzt bzw. unbeschränkt. Die Eigenschaften
dieser verschiedenen Zustandsformen find verschie-
den; diese Verschiedenheit tritt sehr oft auch durch
einen Farbenwechsel in die Erscheinung. Man

f?0
 
Annotationen