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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 65.1914-1915

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Buchner, Georg: Was soll der Künstler, der Maler, von der Chemie wissen?, [4]: eine Einleitung zur Materialkunde
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https://doi.org/10.11588/diglit.8768#0181

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nennt im allgemeinen die Möglichkeit des Auf-
tretens ein und desselben Stoffes in verschiedenen
Zustandsformen: „Polymorphie" oder „Mehr-
formigkeit".

Schon bei den Elementen, den chemisch einfachen
Stoffen, tritt diese Möglichkeit in die Erscheinung
und hat hier den Sonderbegriff der „Allotropie"
erhalten. Bei den chemischen Verbindungen, also
den Stoffen, die aus den chemischen Elementen in
verschiedener Zahl und Gruppierung zusammen-
gesetzt sind, spielt die Polymorphie eine noch viel
ausgedehntere Rolle, und man kann wohl mit
Recht behaupten, daß zurzeit nur eine geringe An-

In dieser Zustandsform ist der Phosphor nicht
giftig, viel reaktionsloser, nicht mehr leicht entzünd-
lich, nicht schmelzbar. Beim Übergang des weißen
in den roten Phosphor findet Wärmeentwicklung
statt; demnach ist der weiße Phosphor energie-
reicher als der rote Phosphor. Die weiße Zustands-
form des Phosphors kann man zurückerhalten, wenn
man den roten Phosphor durch Erhitzen unter
Luftabschluß in Phosphordampf verwandelt und
die Phosphordämpfe rasch abkühlt. Der rote Phos-
phor verändert sich weiter nicht. Er stellt die be-
ständige, stabile Form des Phosphors dar, der
weiße Phosphor dagegen die unter gewissen Um-

Lugen Julius Schmid

zahl der vorkommenden und möglichen Polymor-
phiefälle bekannt und studiert wurde. Diese ver-
schiedenen Zustandsformen gehen leichter oder
schwieriger ineinander über.

Ich erläutere das Gesagte an einigen typischen Bei-
spielen zuerst an der Allotropie, sodann an der
Polymorphie.

Der elementare Stoff Phosphor kann in zwei
sehr verschiedenen Zustandsformen auftreten, deren
Eigenschaften so weit voneinander abweichen, daß
man sie ohne weitere Untersuchung für ganz ver-
schiedene Stoffe ansehen würde; nämlich in der
Zustandsform des weißen und in derjenigen des
roten Phosphors. Der gewöhnliche, wachsweiche,
farblose, bei 44,4° 0 schmelzende, giftige, leicht ent-
zündliche Iptjosptjor wird beim Erhitzen unter Luft-
abschluß auf 250 bis 300° 0 in ein rotbraunes Pul-
ver umgewandelt, in den sog. roten Phosphor.

ständen veränderliche, unstabile Zustandsform.
Solche Zustände der Stoffe, welche zwar die Fähig-
keit besitzen, in eine stabilere Form überzugehen,
dies aber nur tun unter besonderer Veranlassung,
die sich also in einem Zustande relativer Beständig-
keit befinden, nennt man metastabil; sie gleichen
einer über eine Stiege herabfallenden Kugel, welche
durch ein Hindernis am Weiterherabfallen verhin-
dert wird; wird diese Hemmung, dieser widerstand
beseitigt, so sucht die Kugel bzw. der metastabile
Stoff sein stabiles Gleichgewicht auf. Lin Beispiel
ist auch das überkaltete Wasser. Obwohl das Wasser
bei der Abkühlung auf 0° C gefriert, d. h. in die
feste Formart übergeht, so kann dasselbe doch unter
gewissen Vorsichtsmaßregeln weit unter 0° 0 ab-
gekühlt werden, ohne zu erstarren.

(Fortsetzung folgt.)
 
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