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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 65.1914-1915

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Steinlein, Stefan: Wandlungen in der Architektur
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https://doi.org/10.11588/diglit.8768#0231

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nur in der Lage, eine deutsche Form zu
schaffen, sondern wir haben sie bereits auf
den allermeisten Betätigungsgebieten. . . .
Man ziehe sie heran zur Betätigung, und wir
haben auf der Stelle die jetzt so sehr ersehnte deutsche
Form im ganzen Lande, auf jedem Gebiete, im
äußersten Winkel unserer nationalen Arbeit." . . .
Muthesius verstärkt seine Forderung und mahnt
mit Recht: „Wenn uns der Wunsch nach

einer deutschen Form beseelt, so ist es in
Zukunft erste Pflicht der Auftraggeber,

„Nationalen", „wollte man das Nationale heraus-
destillieren, um dann eine nationale Kunst gleich-
sam in Reinkultur zu züchten, so würde man sich
an dem gefährlichen Abgrunde bewegen, der zu
den Niederungen der Pseudokunst führt. Unsere
Kunst wird am deutschesten und damit auch
am nationalsten und patriotischsten sein,
wenn wir in aufrichtigster Gesinnung
schaffen, in dem Bestreben, redlich und ehrlich
zu sein, wenn wir von Selbstvertrauen beseelt
sind, wenn wir aus eigener Kraft heraus wirken."

die bisherigen so glücklichen Anfänge einer
deutschen Form nicht weiter als nichtexi-
stierend zu betrachten." . . .

Er warnt mit Nachdruck vor Patriotismus in der
Kunst, die nichts miteinander zu tun haben; denn
immer sei „in Zeiten hochgehender politischer Wal-
lungen die Gefahr vorhanden, patriotische Kunst zu
verlangen". Lr erkennt wohl an, daß jede wahre
Kunst, so auch die unsere, sich des völkischen Ele-
ments gar nicht entäußern kann, und betont den
scharfen, geschichtlich erhärteten Gegensatz der deut-
schen Kunst zu jener der romanischen Völker. Aber
er warnt vor Schlagworten, die eine erregte Zeit
nur zu leicht gebiert, so vor dem Begriff des

Die Macht der Führung in solchen Fragen für
andere Völker aber „beruht auf der über-
wiegenden Bedeutung, welche die betref-
fenden Länder in der sachgemäßen, ästhe-
tisch und technisch guten Durchbildung die-
ser Dinge hatten."

Daß durch rückwärts gewendetes Schauen und
durch patriotisch gefärbte Schlagworte mißleitete
Theorien einer vermeintlich „deutschen Form" zum
Schaden gereichen mußten, dafür hat das ver-
gangene Jahrhundert in fast allen Zweigen der
Kunst und des Gewerbes die historischen Beweise
unbedingter Gültigkeit erbracht.

Stefan Steinlein.

Kunst und Handwerk. 65. Iahrg. Heft \2.

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