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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 65.1914-1915

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Heilmeyer, Alexander: Ehrengeschenke
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https://doi.org/10.11588/diglit.8768#0232

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Ehrengeschenke

Das ist ein Gebiet, wo gewöhnlich der Weizen der
Kunstindustrie blüht. Ich denke an die Ausstellung
eines Ruderklubs von während 25 Jahre gewon-
nenen Preisen. Zn langen Reihen standen eine
unendliche Anzahl von Trinkbechern für alle pals-
weiten, Trinkhörner, prächtige Beiträge zur Me-
thyologie der Deutschen, silberne Bratenplatten mit
Kaiserbildnifsen, Schiffe als Tafelaufsätze, Photo-
graphierahmen, Zubiläumstafeln mit Rudern,
Muscheln und Seerosen verziert u. a. m. — alles
wie nach einem Schema und Muster angefertigt,
seelenlos und gleichgültig wie aus dem nächst-
besten Galanteriewarenladen herbeigeholt.
Jammerschade für das echte Geld, das dafür an-
gelegt und bezahlt wurde. Man gewann den Ein-
druck, als wäre dieses Gebiet der Ehrenpreise und
Geschenke aller Kunst bar und als würden Künstler
überhaupt nie darum angegangen.

Zu Zeiten zeigt uns aber doch die gelegentliche
Ausstellung von einzelnen prächtigen Ehrengeschen-
ken in der Palle des Kunstgewerbevereins, daß,
wenn einmal solche Aufträge in die pände unserer
Künstler und Meister des Kunsthandwerks gelangen,
sie zu außerordentlich interessanten, hochkünstleri-
schen Werken ausgestaltet werden können. Es
kommt wie bei allen künstlerischen Aufgaben nur
darauf an, „wie" sie gelöst werden. Es liegt nur
am Publikum, daß es sich statt an den Künstler an
den Dutzendwarenfabrikanten wendet. Der Be-
steller müßte sich bei einem solchen Anlasse nur be-
wußt werden, daß es sich bei einer Ehrung um
etwas ganz Persönliches handle, und daß auch ein
solches Schmuckstück nur ganz individuell gestaltet
werden kann. Denn es ist doch klar, daß mit einem
gleichgültigen, absolut beziehungslosen Dutzendstück
der eigentliche Sinn der Ehrung verloren geht.
Nicht der Fabrikant, sondern nur der Künstler ist
der Mensch, sich in den Sinn dieser Aufgabe ein-
zufühlen, die Gelegenheit richtig zu werten und
aus dem Stoff, den ihm die Wirklichkeit bietet,
ein reizendes Gelegenheitsgedicht zu machen.
Ehrengeschenke sind solche Gelegenheitsgedichte,
und darum sollten nur Künstler und Kunsthand-
werker damit betraut werden,
von den vielen schönen Stücken, welche wir im
Laufe der letzten Jahre in unserer Palle zu sehen
bekamen, wollen wir heute unseren Lesern zwei
im Bilde vorführen. Die Vorstellung, die farbige
Drucke und Photos davon geben können, erreichen
bei weitem nicht die Wirklichkeit. Bilder können
den vollen plastischen Eindruck nur andeutungs-

weise wiedergeben; gegen das Original in seinem
Prunk und in seiner Pracht, in seinem Farben-
schmelz und dem eigentümlichen Leben, das in
den Metallen, im Schmelz des Emails und den
Steinen aufleuchtet, erscheinen sie matt und flau;
aber vielleicht rufen sie doch etwas von dem pla-
stischen Sein und wenigstens einen Schein und
Schimmer von dem farbigen Abglanz dieses Le-
bens der Originale wach.

Die kurze Beschreibung verhilft vielleicht mit dazu,
an Einzelheiten zu erinnern.

Die farbige Tafel zeigt das Ehrengeschenk, welches
der Bayerische Kunstgewerbeverein dem perrn
Oberbürgermeister Geheimrat Ritter von Borscht
anläßlich seines 25jährigen Amtsjubiläums und
seiner 25jährigen Mitgliedschaft und Ernennung
zum Ehrenmitgliede des Vereins überreichte.

Ls lag nahe, daß der Kunstgewerbeverein diese
Urkunde in der künstlerischen Form einer Ehren-
gabe ausführte, die zugleich auch ein Ausdruck
dankbarer Gesinnung sein sollte für die großzügige
Förderung, welche insbesondere das Münchener
Kunstgewerbe und der Bayerische Kunstgewerbe-
verein während des letzten Vierteljahrhunderts
durch die segensreiche Wirksamkeit des perrn Ober-
bürgermeisters auf dem Gebiete künstlerischer Kultur
erfahren hatten.

Die Ehrengabe zeigt eine ebenso originelle als
sinnreiche Form: einen Lindenbaum mit dem daran
befestigten Schild der Urkunde, den allegorischen
Figuren der Kunst und des Kunstgewerbes samt
den Emblemen der verschiedenen Gewerke. Der
Fußring wird von der Münchener Stadtmauer mit
den vier bekannten Toren: Karlstor, Sendlingertor,
Zsartor und Siegestor gebildet. Auf diesem der
Kunst geweihten Boden stehen am Fuß des Stam-
mes die beiden Figuren: ein Schmied mit Schurz-
fell und pammer und eine schöne weibliche Figur
mit dem Wappen der Kunst — Kunst und Kunst-
gewerbe pand in pand. An den Asten und Zweigen
des Baumes erscheinen wie Früchte der Kunst und
des Kunstgewerbes: Malerei, Plastik, Architektur,
Goldschmiedekunst, Kunstschlosserei, Tischlerei, Glok-
kengießerei, Stickerei, Buchbinderei und Keramik in
ihren Emblemen.

Die Wirkung des so sinnig erdachten und prächtig
ausgeführten Stückes erfährt noch eine erhebliche
Steigerung durch überaus geschickte Anwendung
verschiedenfarbigen Materials, als farbige Zsar-
kiesel am Boden des Fußgestells, buntes Email an
den Schildern und Emblemen, farbige Steine und
 
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