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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 77.1927

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Schinnerer, Adolf: Hans Thoma: Rede einer Gedächnisfeier der Akademie der Bildenden Künste in München am 18. Januar 1925
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https://doi.org/10.11588/diglit.7094#0029

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dargestellt ist. Man sehe „Mamolsheim“, wo ein, wie
uns scheint, überlebensgroßer früchteschwerer Apfel-
baum vor einem fernen Hang gemalt ist und diese
Raumdifferenz mit rein malerischen Mitteln bezwun-
gen wurde, ein wahrhaft großartiges Bild. Man sehe
einmal seine Himmelsräume an, deren Wolkenberge
und Täler so viel von kleinen Leuten nachgemacht
wurden. Als ein Dichter Thoma fragte, ob er beim
Malen sich auch einen Plan für den poetischen Gehalt
des Bildes mache, sagt Thoma: „Beim Malen denke
ich nicht an Poesie. Ich denke an den Raum, daß jedes
Ding seinen Platz hat. Ich bemühe mich, eine leidliche
Farbenharmonie herzustellen.“ Und dann: „ich wollte
eigentlich immer harmlose Sachen machen. Gerade das
Einfachste ist das Schwerste. Man muß dazu geboren
sein.“

Eine der gedankenlosesten Phrasen ist die: Die
Kunst ist international. International kann Kunst schon
deshalb nicht sein, weil sie auch nicht interindividuell
sein kann. Die Nation ist nur der erweiterte Begriff
des Individuums. International ist der Kitsch und die
Mode. Kunst ist immer national, wohl ihr, wenn sie
so groß wird, daß sie übernationalen Wert gewinnt.
Es gibt nichts Französischeres als Bilder von Manet
oder Cezanne, nichts Deutscheres als solche von Thoma
oder Leibi. Thoma sagte einmal: „Ich habe nie beim

Malen an mein Deutschtum gedacht, ich wurde ein
deutscher Maler, weil ich eben nicht aus meiner Haut
fahren konnte.“

Ein weiteres Kriterium für den Umfang und die
Größe einer Kunst liegt in der Möglichkeit ihrer
Wandlung, ihrer Entwicklung. Es gibt viele Maler,
die ihr Leben lang nur ein Bild malen, das sie endlos
variieren. Hans Thoma gehörte nicht zu diesen.

Als ich ihn zum erstenmal in seinem Atelier be-
suchte, lag auf dem Boden ausgebreitet das wunder-
volle Bild seiner Frau in der Hängematte mit den
blühenden Astern vorne, das heute in der städtischen
Galerie in Frankfurt hängt. Thoma war eben beschäf-
tigt, eine dicke Rolle aufzuwickeln, die eine ganze An-
zahl Bilder jener Zeit enthielt, die früher unbegehrt,
jetzt plötzlich wichtig befunden wurden.

Auf der Staffelei aber stand ein Waldbild ganz an-
derer Art. Graue Fichtenstämme in schweren Paralle-
len mit stark zeichnerisch gegebenem Laub vor einer
grünen Lichtung. Thoma erklärte mir, der Vorder-
grund spreche ihm nicht genügend, er wolle ihn ganz
mit Temperaweiß durchzeichnen und dann mit Öl-
farbe lasieren. Neben der schönen, ausgeglichenen Ton-
malerei der Hängematte wirkte das neue Bild wie die
brutale Gegenwart gegen ein abgeklärtes Gedicht. Es
ist unglaublich, welche Räume die Kunst Thomas um-

-I O 8 E P FI W ACKER L E . D I E E R D E

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