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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 77.1927

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den geschmackvollen Kaminen und den praktischen
Bücherstellagen. Im ganzen: pourquoi tant de bruit?

.A. Stange

BauratMühlleld, Farbiger Hausanstrich. Ver-
trieb: Stiftung für Heimatschutz in Weimar.

Hoch gehen die Wogen der Farbenbewegung und wie
ein junger Bergstrom ergießt sich der Buntheits-Gedanke
über die deutschen Lande. Manch einer, der mit Paten-
stolz dem schönen Kinde an der Wiege gestanden in der
Hoffnung, es durch eine sorgfältige Erziehung langsam zu
einem wohlgepflegten und tüchtigen Manne heranzubil-
den, sieht jetzt verduzt und mit Besorgnis den frühreifen
Jungen mutwillig unbeschwert, ja leichtfertig ins Weite
springen und sich nach Lausbubenart der Zuchtrute der
Eltern und Vormünder keck und allzufrüh entwinden.
Da läuft er hin, der Lümmel, und an jeder Straßenecke
gesellt sich ein Gesinnungsgenosse zu ihm und so stürmt
der wilde Haufen fort! — Wer sorgt, daß sie keinen Un-
fug treiben, wer bringt ihnen Vernunft bei?

So hatten wir es uns in der Tat nicht vorgestellt!
Wer wußte denn, daß der Boden für die ausgestreuten
Keime plötzlich so überfruchtbar war, daß der aus dem
Stein geschlagene Funke in ein Pulverfaß fallen würde?

Nun aber ist es geschehen und wir könnens nicht auf-
halten, auch wenn wir wollten. Die Buntheitsbewegung ist
zum Elementarereignis geworden und kümmert sich wenig
um unsere Zustimmung oder Ablehnung. Es gilt nur eines:
den jungen Strom in ein ordentliches Gerinne zu leiten,
die geweckten Kräfte mit Vorsicht auf den Weg zu brin-
gen, auf dem sie zu einer geordneten und heilsamen Lei-
stung gelangen können. — Aber schon bauen wieder die
Immergeschäftigen und die ungebetenen Nutznießer ihre
klapprigen Mühlen unsachgemäß in den jungen Strom und
wirbeln das Wasser auf, daß es über die Ufer springt und
Unheil stiftet. — Das heißt: eine Reihe von Leuten, die
weder durch ihre Fähigkeiten noch durch ihre Kenntnisse
dazu berufen sind, haben sich mit bekannter Geschättig-
keit daran gemacht, die neue Bewegung für ihre Kräfte
auszunützen und haben „Vorlagenwerke“ für farbige Fas-
saden auf den Markt gebracht, die ebenso inferior wie ge-
fährlich sind; denn sie können in der Hand unselbständi-
ger Handwerker — und andere brauchen solche „Vorbil-
der“ nicht — unendliches Unheil stiften und die ganze
Bewegung auf ein falsches Geleise schieben. Das Schlimm-
ste ist vielleicht noch, daß solche Machwerke gelegentlich
in Fachzeitschriften lobend besprochen und angepriesen
werden und ganz unverständlich muß es bleiben, daß es
der Leitung des letzten Tages für Denkmalpflege und
Heimatschutz in Freiburg nicht gelungen ist, von der dort
veranstalteten Ausstellung farbiger Architektur ausge-
sprochene Farbgreuel fernzuhalten.

Rezepte zu geben ist in allen Fällen peinlich, in denen
es sich um künstlerische oder um Fragen des Geschmackes
handelt. Aber: wir kommen nun einmal ohne Rezept nicht
mehr aus, seit das breite Fundament eines natürlichen gu-
ten Geschmackes im Volke nicht mehr tragfähig, seit das

selbstverständliche Können auf künstlerisch-handwerk-
lichem Grenzgebiet bei unseren Meistern erloschen ist.
Gerade das derzeitige Stadium der Farbbewegung fordert
dringend gute Rezepte, hauptsächlich für das ländliche
Gewerbe, wo das Können mit dem außerordentlich ge-
steigerten Wollen auch nicht entfernt Schritt zu halten
vermag.

So mußte es wie eine Erlösung wirken, als die Thürin-
gische Beratungsstelle für Heimatschutz und Denkmal-
pflege in Weimar ein kleines Heft (Farbiger Hausanstrich,
Weimar 1925. M. 3.80) herausgab, das von Baurat Mühl-
feld, dem Leiter der Thür. Bauschule in Gotha, bearbeitet
ist, und das im Gegensatz zu allen anderen derartigen Ver-
suchen endlich zeigt, daß auch Rezepte in einer brauch-
baren und heilsamen Form gegeben werden können, wenn
Kenntnisse und Verantwortlichkeitsgefühl die unentbehr-
liche Grundlage bilden. Das bescheidene Heft hat die Auf-
gabe gelöst, das Musterbeispiel auf eine elementare For-
mel zu bringen, das Grundsätzliche herauszustellen und
das Besondere, das Unwesentliche, das Überflüssige aus-
zuschalten mit dem Ergebnis, daß die große Gefahr des
Miß verstehens durch den Ausführenden, die Möglichkeit
der Verballhornung trotz guten Rezeptes auf ein Mindest-
maß beschränkt wurde. Durch eine höchst löbliche Selbst-
bescheidung auf das Handwerkliche und den bewußten
Verzicht auf die von den anderen ohne Erfolg und mit
lächerlicher Verkennung der eigenen Fähigkeiten ange-
strebte Verschiebung der Fassadentünchung in das Gebiet
der „hohen Kunst“ ist hier in Wort und Bild genau das ge-
geben, was der ländliche Tünchermeister braucht, nicht
mehr und nicht weniger.

Mühlfeld hat es verstanden — wohl nicht ohne die Er-
fahrung einer jahrelangen berufsmäßigen praktischen Bau-
beratung —, die übersichtliche Anordnung des knappen
Textes, die Beigabe der einfachen handlichen Farbentafel,
die klare, fast möchte man sagen naive Drucktechnik der
Bilder, kurz die ganze Anlage seines Heftes so zu gestalten,
daß die Psyche der Benützet, für die es berechnet und ge-
dacht ist, unfehlbar ansprechen muß. Auch hier im Gegen-
satz zu den oben erwähnten schädlichen Vorbilderwerken,
die ihren Ehrgeiz sehr zuUnrecht imKünstlerischen suchen,
liegt der bedeutende Wert des Mühlfeldschen Heftes auf
dem Gebiet des Handwerklichen und vor allem des Päda-
gogischen; es ist wie eine vorzügliche Fibel und es ist so
klassisch wie der Struwwelpeter. Was dieser einst für die
deutsche Kinderstube war, das soll dies Heft für Werk-
statt und Schule werden: das Abc des deutschen Tüncher-
meisters!

Damit will ich freilich nicht sagen, daß nicht auch
viele, ja sehr viele unserer Architekten und Dekorations-
maler, die über das Elementare längst hinausgewachsen zu
sein glauben, und mancher Architekturlehrer aus diesen
ebenso schlichten wie unübertrefflichen Blättern viel und
vor allem das lernen kann, daß für unsere Zeit die Be-
scheidenheit das trefflichste Fundament der Kunst ist.

Rudolf Pfister

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