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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 77.1927

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Rose, Hans: Die Ausstellung "Das Bayerische Handwerk 1927": Bauten und Dekoration
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https://doi.org/10.11588/diglit.7094#0100

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thema ist prunkend und klingend geworden. Geschichte
und werktätige Gegenwart, Fertiges und Entstehendes,
Kunst und Nutzen ergänzen sich, und die Harmonie
wird vollständig durch den Einklang der ausgestellten
Gegenstände mit dem baulich-dekorativen Rahmen,
in dem man sie zu sehen bekommt. Prüfen wir, welche
Kunstmittel diesen Klang erzeugen. Von den Gegen-
ständen selbst soll im nächsten Heft die Rede sein.

In der Haupthalle I wird man von einer goldenen
Architektur aufgenommen: Mauern, Türme, Tore, die
den Raum einer einheitlichen dekorativen Idee unter-
werfen und deren Bogen, edel und schlank gespannt,
weniger den Eindruck mittelalterlicher Enge, sondern
eher die gesammelte, ausgeglichene Stimmung italieni-
scher Klosterhöfe erzeugen. Der Gedanke als solch er hält
die logische Prüfung nicht aus und realistisch behandelt
wäre er unerträglich. Durch den Goldton aber wird
das Ganze der Realität entrückt. Es wird märchenhaft,
schimmernd, unwirklich. Das Ziegelrot des Fußbodens
erwärmt das Metallische, und oben, wo der Zusammen-
stoß mit der Eisenarchitektur empfindlich werden
könnte, wird der Blick abgefangen durch einen Bal-
dachin, auf dem das einfallende Licht sein wechselndes
Leben führt, das Goldene mit leichten, weißlichen
Nebeln umfangend. Den Bogen und Türen entsprechen
fünfzehn Loggien, in denen Bestände der Historischen
Abteilung untergebracht sind. Gerade hier bewährt
sich die Idee der Hofarchitektur aufs beste. Denn die
zerstreuendeWirkung des übergroßen Raumes ist völlig
aufgehoben. In kleinen Kabinetten von wechselnder
dekorativer Deutung wird man dicht an die Gegen-
stände herangeführt, die ihrer Natur nach meist von
kleinem Format und auf nahe, intime Betrachtung ein-
gerichtet sind. Der Regensburger Raum, der Raum der
Nürnberger Metallgegenstände und die Sakristei sind
geradezu Musterleistungen künstlerisch-musealer Auf-
stellung in der Abstimmung der Lichter, der Farben,
der Formate. Architektur und Dekoration stammen
von bewährter Hand, von Oberstudiendirektor Wie-
deranders und Kunstmaler Parzinger. Der musealen
Aufstellung ist wesentlich die kunsthistorische Er-
fahrung von Dr. Peltzer zustatten gekommen. — Im
Münchener Saal, der westlich anschließt, hat Professor
Bieber offenbar die Absicht verfolgt, im Geiste der
Münchener Renaissance den Raum als solchen, seine
ungetrübte Proportion zum Sprechen zu bringen und
sich in der Ausstattung ganz auf die ordnende Kraft
der Gegenstände zu verlassen, die in prachtvollen
Symmetrien vollklingend zueinander abgestimmt sind.
An Monumentalität der Auffassung und historischem
Takt übertrifft dieser Raum alles übrige. Er bildet für
mein Gefühl den Höhepunkt der Ausstellung über-

haupt. — Die beiden Augsburger Säle, von Oberbaurat
Holzer und Architekt Haffner mit herbem Ernst aus-
gerüstet, verkörpern die beiden größten Epochen der
Stadtgeschichte: die späte Antike und den frühen
Barock (Rathausmodelle von Elias Holl). Recht gern
hätte man zwischen den mattfarbigen Gegenständen
auch eine Probe von jener bunten, leuchtkräftigen
Augsburger Renaissance gesehen, die ja ihre Farben-
pracht aus Venedig entlehnte. Nebenan, im Zunftsaal,
hat Professor Niemeyer einer fröhlicheren Stimmung
stattgegeben, die von den Gegenständen sehr wohl
gerechtfertigt wird. Ein lebhafter dekorativer Effekt
geht von dem Raum aus. Er ist gegliederter und bunter
als seine Nachbarn: Tonnengewölbe, Wandnischen
(die an den Ecken vier Pfeiler aussparen), Seitenräume
mit Oberlicht, die durch bewegliches Gitterwerk mehr
ideell als materiell vom Hauptraum abgeschieden sind.
Farben: Kalkweiß und ein leuchtendes, obwohl etwas
ins Faule spielendes Korallenrot in den Holzteilen und
den architektonischen Bändern, ein Zweiklang, der
nicht für sich bestehen soll, sondern geistvoll durch-
kreuzt wird durch die warmen Ströme der Hohlkehlen-
beleuchtung, durch das alte Gold der Holzschnitzereien
und die diskrete Buntheit ehrwürdiger Standarten.
Die Säulen der Vergitterung bieten den berühmten
Maruskatänzern des Münchener Rathauses einen Platz,
an dem das Bestechende ihrer Erscheinung, die hin-
reißende Beweglichkeit ihrer Glieder und der ur-
wüchsige Humor ihrer Entstehungszeit zu leichter und
voller Wirkung gelangen. Nicht so sehr als Kunst-
mittel, sondern als Instrument sachlicher Raum-
gestaltung bewährt sich das Thema der Gitterwand
ganz vorzüglich in den Ausstellungslogen der Halle II,
deren Entwurf von Professor Joseph Hillerbrand her-
rührt, Als Beispiel bringen wir den Ausstellungsraum
der Hafnermeister. Das leichte Stabwerk, in Recht-
ecken von einfachster Proportion gebildet, bietet genau
den richtigen Grad von Öffnung und Schließung der
Eingangswand, wie Auge und Geist ihn fordern. Zur
farblichen Belebung hebt sich der mittlere Querbalken
in scharfem Ziegelrot von dem Weiß der übrigen
Architektur ab.

Die Münchener Ausstellungshallen sind so angeord-
net, daß die Prunkräume nicht zentriert beieinander
liegen, sondern da und dort ein Nebenzentrum ein-
gesetzt wird, an dem sich die Architektur zu hohem
Kunstanspruch erhebt. Ein solches findet sich in der
Mittelachse der Halle III, wo ein Vestibül von hoch-
gestimmten Verhältnissen die Ausstellungskorridore
zusammenfaßt und zugleich den Auftakt bildet zu
einem Rund- und Kuppelsaal, der den Lichthof des
Gebäudes ausfüllt. Die Halle enthält Werkstätten für

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