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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 77.1927

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Christoffel, Ulrich: Das Problem der Qualität im Kunsthandwerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.7094#0132

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A. v. MAYERHOFER • GETRIEBENE SILBERSCHALE

Gesundung. Ihre Art, sich zu äußern, die ständige
Verwechslung von technischer und künstlerischer Ar-
beit, die Gleichsetzung der Begriffe Qualität und Lei-
stungsfähigkeit führt aber zu gefährlichen Irrtürnern,
über die man nicht hinwegsehen sollte.

Als der Werkbund gegründet wurde, aus dem die
ganze moderne kunstgewerbliche Bewegung hervor-
gegangen ist, da wollte man den aufgeblasenen Luxus
der Gründerperiode ersetzen durch eine solide Haus-
mannskunst, die, wie die Volkskunst, einfach, zweck-
mäßig und technisch einwandfrei sein sollte. Es war
eine gesunde, vernünftige Bewegung, die unser sozia-
les Zeitalter mit einer schönen Tat einleitete. Aber
mußte man, wenn man so natürlich empfand, so blind
sein, etwas Hygienisches mit etwas Künstlerischem
zu verwechseln?

Einfachheit ist jeder großen Kunst eigen, aber nicht
jede Einfachheit ist an sich künstlerisch. Die ein-
fachen Linien der Werkbundmöbel stören in einem
Zimmer weniger, als die aufdringlichen Stilmöbel der
frühem Periode, aber sie geben der Form durchaus
keinen hohem Qualitätswert. Einfachheit ist immer
eine Tugend, aber die Tugend schafft keine Qualität.
Oft sind die verdorbensten Menschen die anziehend-
sten, bezauberndsten, obwohl alle Regeln der Le-
benskunde und der sozialen Erfahrung gegen sie
sprechen. Sie haben Qualität, aber keine Tugend.
Das moderne abstrakte Kunstgewerbe hat Tugend,
aber keine Qualität. Ähnlich wie die Einfachheit mag

die Zweckmäßigkeit des neuen Kunsthandwerks einen
angenehmen, ästhetischen Eindruck machen und im
Gegensatz zu einer sinnlosen, bombastischen Orna-
mentik sehr gut wirken, aber sie ist an sich weder
eine Voraussetzung des Künstlerischen, noch schafft
sie Qualitätswerte. Wie in der Natur der Bau der
Pflanzen, das Leben der Tiere, die Chemie des Erd-
bodens organisch zweckmäßig eingerichtet ist, wie
die Natur jedes Material nach seiner eigenen Logik
verwendet, so muß auch der Mensch (argumentiert
man) sein Dasein zweckmäßig, sparsam und ehrlich
einrichten und das Problem des Kunsthandwerks ist
dann gelöst, wenn die Menschen ihre Häuser so in-
stinkthaft bauen, wie die Vögel ihre Nester. Man
sollte also durch Schulung wieder dahingelangen, wo
die Bauern stehengeblieben sind, ehe sie durch die
Warenhäuser der Großstädte verdorben wurden. Das
Programm war gut und hat inzwischen schon zu
großen Erfolgen geführt. Aber kann die Zweck-
mäßigkeit der Materialanwendung und der Konstruk-
tion künstlerische Qualität hervorbringen? Wir wol-
len hier nicht untersuchen, ob man wirklich auf dem
Werkbundstuhl bequemer sitzt und aus der Werk-
bundtasse bequemer trinkt, weil sie zweckmäßig sind,
sondern nur darauf hinweisen, daß das Kunstgewerbe
der letzten zo Jahre etwa verglichen mit dem Kunst-
gewerbe des Barocks sehr geringwertig an Qualität
erscheint, obwohl die Rokokomöbel, Rokokospiegel,
Rokokoporzellane ein Hohn sind auf alle Grundsätze

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