STAATLICHE KUNSTGEWERBESCHULE MÜNCHEN ■ KLASSE
HILLERBRAND (H. MAUDER) • GESCHLIFFENE GLASSCHALE
geräumigen Wohnsaal, dessen Ecken unregelmäßig
einspringen, die andere das quadratische Speisezimmer.
Das Innere überrascht im ersten Augenblick. Im Ge-
gensatz zu dem süßlichen, violetten Anstrich außen sind
die Räume auf ernste, gesammelte Farben gestimmt,
und statt der Fensterfreudigkeit des Rosenthalschen
Hauses hat man hier den Eindruck, ganz und gar in
das Innere, ins Räumliche eingeschlossen zu sein. Das
hat seine guten Gründe. Speziell in München ist das
Klima so, daß man sich praktisch und mehr noch seelisch
dagegen schützen muß. Das Starenhaus denkt auch
an die Wintermonate. Es ist behaglich. Die Fenster
sind spärlich und nicht sonderlich groß. Daß diese
Wirkung beabsichtigt ist, erkennt man daran, daß die
Fenster vergittert sind. Man findet diese Sitte in Ober-
bayern gelegentlich auf dem Land. Sie hat vielerlei
für sich. Dagegen hat Kurz eine Gartenterrasse, die im
Eck zwischen Wohn- und Speisezimmer liegen sollte,
für entbehrlich gehalten. Für mein Gefühl steckt ge-
rade in der reinlichen Scheidung von innen und außen
ein eigentümlicher baulicher Ernst. Es ist aber begreif-
lich, wenn weniger baulich interessierte Beurteiler die
Öffnung des Hauses in das Freie vor allem anderen
verlangen. Die Möbel des Wohn-und Speisezimmers,
die Kurz nach eigenen Entwürfen bei Böhmler & Co.
hat anfertigen lassen, sind von vorbildlicher Schönheit
und dem besonderen Zweck vorzüglich angepaßt.
Man möchte in diesen Räumen nichts anderes sehen.
Belebend und einigend treten die Stoffe hinzu, deren
Auswahl als das Verdienst von Ilse Günther an ge-
sprochen und hoch gerühmt werden muß. Im heutigen
Wohnraum fällt ja den Textilien allgemein eine be-
deutsame Rolle zu. Es kommt vor, daß die ganze
Stimmung des Raumes durch Stoffe erzeugt und ge-
haltenwird. Freilich gehört eine eigentümliche Meister-
schaft dazu, diese zweischneidige Waffe zu führen.
Wer es tut, wird sich bewußt sein müssen, daß die
Stoffkomposition von der kleinsten Nuance abhängt,
die alles gewinnen und alles verderben kann. Umge-
kehrt findet man in allen Häusern, die München aus-
stellt, eine gewisse Unsicherheit in bezug auf die Ge-
staltung von Schränken. Wir haben keine Vorliebe
mehr für das Schrankmöbel überhaupt. Vielleicht
passen Schränke von schwerem Typ nicht mehr in
unsere kleinen und niedrigen Räume. Vielleicht auch
haben die Wandschränke, ähnlich wie im 18. Jahr-
hundert, dem freien Schrank seinen Sinn genommen.
Jedenfalls beobachtet man, daß alle neueren Räume
mit halbhohen Möbeln ausgestattet werden, und daß
die naturgemäß niedrigen Stücke: Tischmöbel und
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HILLERBRAND (H. MAUDER) • GESCHLIFFENE GLASSCHALE
geräumigen Wohnsaal, dessen Ecken unregelmäßig
einspringen, die andere das quadratische Speisezimmer.
Das Innere überrascht im ersten Augenblick. Im Ge-
gensatz zu dem süßlichen, violetten Anstrich außen sind
die Räume auf ernste, gesammelte Farben gestimmt,
und statt der Fensterfreudigkeit des Rosenthalschen
Hauses hat man hier den Eindruck, ganz und gar in
das Innere, ins Räumliche eingeschlossen zu sein. Das
hat seine guten Gründe. Speziell in München ist das
Klima so, daß man sich praktisch und mehr noch seelisch
dagegen schützen muß. Das Starenhaus denkt auch
an die Wintermonate. Es ist behaglich. Die Fenster
sind spärlich und nicht sonderlich groß. Daß diese
Wirkung beabsichtigt ist, erkennt man daran, daß die
Fenster vergittert sind. Man findet diese Sitte in Ober-
bayern gelegentlich auf dem Land. Sie hat vielerlei
für sich. Dagegen hat Kurz eine Gartenterrasse, die im
Eck zwischen Wohn- und Speisezimmer liegen sollte,
für entbehrlich gehalten. Für mein Gefühl steckt ge-
rade in der reinlichen Scheidung von innen und außen
ein eigentümlicher baulicher Ernst. Es ist aber begreif-
lich, wenn weniger baulich interessierte Beurteiler die
Öffnung des Hauses in das Freie vor allem anderen
verlangen. Die Möbel des Wohn-und Speisezimmers,
die Kurz nach eigenen Entwürfen bei Böhmler & Co.
hat anfertigen lassen, sind von vorbildlicher Schönheit
und dem besonderen Zweck vorzüglich angepaßt.
Man möchte in diesen Räumen nichts anderes sehen.
Belebend und einigend treten die Stoffe hinzu, deren
Auswahl als das Verdienst von Ilse Günther an ge-
sprochen und hoch gerühmt werden muß. Im heutigen
Wohnraum fällt ja den Textilien allgemein eine be-
deutsame Rolle zu. Es kommt vor, daß die ganze
Stimmung des Raumes durch Stoffe erzeugt und ge-
haltenwird. Freilich gehört eine eigentümliche Meister-
schaft dazu, diese zweischneidige Waffe zu führen.
Wer es tut, wird sich bewußt sein müssen, daß die
Stoffkomposition von der kleinsten Nuance abhängt,
die alles gewinnen und alles verderben kann. Umge-
kehrt findet man in allen Häusern, die München aus-
stellt, eine gewisse Unsicherheit in bezug auf die Ge-
staltung von Schränken. Wir haben keine Vorliebe
mehr für das Schrankmöbel überhaupt. Vielleicht
passen Schränke von schwerem Typ nicht mehr in
unsere kleinen und niedrigen Räume. Vielleicht auch
haben die Wandschränke, ähnlich wie im 18. Jahr-
hundert, dem freien Schrank seinen Sinn genommen.
Jedenfalls beobachtet man, daß alle neueren Räume
mit halbhohen Möbeln ausgestattet werden, und daß
die naturgemäß niedrigen Stücke: Tischmöbel und
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