ZUNFTZEICHEN, KUPFER VERGOLDET, GEZEICHNET
VON H. EGE • AUSGEFÜHRT VON R A I E R , MÜNCHEN
Wenn wir im nächsten Jahr auf der Theresienhöhe
die Höchstleistungen aus der Goldenen Zeit des
Handwerks zur Schau stellen, so ist damit doch auch
nicht gemeint, daß uns diese alten Formen zu ihrer un-
mittelbaren Nachahmung anreizen sollen. Der pädago-
gische Gedanke dieses historisch gerichteten Ausstellungs-
plans kann von großem Wert sein, wenn er uns endlich
lehrt, was wir freilich auch ohnehin schon wissen müßten,
daß nämlich die goldene Zeit des Handwerks unwider-
bringlich dahin ist, und daß ein eisernes Zeitalter uns
zwingt, aus seinem neuen Geist die neue Form zu ge-
winnen.
Erst wenn unsere Produktion nicht nur bei führenden
Einzelnen, sondern in fühlbarer Breite den Schritt zu einer
neuen formalen Entwicklung getan hat, dürfen wir aus
der stillen Arbeit wieder mit lauten Ansprüchen und
Forderungen hervortreten. Dann tun wir wohl daran, bei
der unvermeidlichen Erörterung einer gesamtdeutschen
Rationierung und planmäßigen Betreuung des Ausstel-
lungenwesens kräftig mitzureden, denn ein neues Mün-
chen, das den ernsten Willen bekundet, an seine besten
Traditionen in erneuertem Geist wieder anzuknüpfen,
hat unbedingt Anspruch darauf, an seinen wohlerworbe-
nen Rechten geschützt zu werden.
Eben darum aber dürfen wir nicht selbst die Gesichts-
züge verleugnen und verwischen, die uns unserer Ver-
gangenheit entsprechend vor der Welt legitimieren. Wer
sucht in München eine Verkehrsausstellung oder
sonstige Darbietungen industriellen oder rein technischen
Themas? Wer sucht unter unserem erfrischend rauhen
Himmel eine Gartenbauausstellung? Haben wir es nötig,
aus dem doch recht äußerlichen Sondergebiet des Alpi-
nismus einen Ausstellungsanlaß zu machen? Bieten wir
doch nicht, was der Zureisende, der Fremde, schon zu
Hause oder anderwärts bis zum Überdruß gesehen hat.
Bieten wir doch lieber das, was eine Durchreise- und Er-
holungsstation bieten soll: Nämlich die kulturellen,
die ästhetisch gehobenen, die besonderen, die feier-
täglichen Lebenswerte, auch wenn sie sich, wie viele
kunsthandwerkliche und kunstindustrielle Zweige, nur
auf den äußerlichen Komfort, auf das häusliche Behagen
beziehen. Oder behelfen wir uns, bis unsere Produktion
wieder erstarkt ist, in Gottes Namen mit mehr lehrhaften,
technisch oder wirtschaftlich orientierten Ausstellungs-
thematen, dann aber nie ohne dabei auch den künstleri-
schen und kunsthandwerklichen Zweigen, die nun einmal
unser eigenstes Feld sind, hinreichend Spielraum zu lassen.
Die Welt ist heute allenthalben teils vergraut, teils
brutal verlärmt. Wer aus ihr nach München kommt, der
kommt deshalb, um sowohl dem grauen Alltag wie dem
grellen Lärm für eine Weile zu entrinnen. Wahrt unser
Ausstellungenwesen, wahren unsere Kunstdarbietungen
nicht streng den Charakter einer raffiniert gepflegten
Kultur-Oase inmitten der trostlosen Wüstenei des mo_
dernen Lebens, so werden wir durch Qualitätsminderung
und falsches Popularitätsstreben nicht etwa die Massen
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VON H. EGE • AUSGEFÜHRT VON R A I E R , MÜNCHEN
Wenn wir im nächsten Jahr auf der Theresienhöhe
die Höchstleistungen aus der Goldenen Zeit des
Handwerks zur Schau stellen, so ist damit doch auch
nicht gemeint, daß uns diese alten Formen zu ihrer un-
mittelbaren Nachahmung anreizen sollen. Der pädago-
gische Gedanke dieses historisch gerichteten Ausstellungs-
plans kann von großem Wert sein, wenn er uns endlich
lehrt, was wir freilich auch ohnehin schon wissen müßten,
daß nämlich die goldene Zeit des Handwerks unwider-
bringlich dahin ist, und daß ein eisernes Zeitalter uns
zwingt, aus seinem neuen Geist die neue Form zu ge-
winnen.
Erst wenn unsere Produktion nicht nur bei führenden
Einzelnen, sondern in fühlbarer Breite den Schritt zu einer
neuen formalen Entwicklung getan hat, dürfen wir aus
der stillen Arbeit wieder mit lauten Ansprüchen und
Forderungen hervortreten. Dann tun wir wohl daran, bei
der unvermeidlichen Erörterung einer gesamtdeutschen
Rationierung und planmäßigen Betreuung des Ausstel-
lungenwesens kräftig mitzureden, denn ein neues Mün-
chen, das den ernsten Willen bekundet, an seine besten
Traditionen in erneuertem Geist wieder anzuknüpfen,
hat unbedingt Anspruch darauf, an seinen wohlerworbe-
nen Rechten geschützt zu werden.
Eben darum aber dürfen wir nicht selbst die Gesichts-
züge verleugnen und verwischen, die uns unserer Ver-
gangenheit entsprechend vor der Welt legitimieren. Wer
sucht in München eine Verkehrsausstellung oder
sonstige Darbietungen industriellen oder rein technischen
Themas? Wer sucht unter unserem erfrischend rauhen
Himmel eine Gartenbauausstellung? Haben wir es nötig,
aus dem doch recht äußerlichen Sondergebiet des Alpi-
nismus einen Ausstellungsanlaß zu machen? Bieten wir
doch nicht, was der Zureisende, der Fremde, schon zu
Hause oder anderwärts bis zum Überdruß gesehen hat.
Bieten wir doch lieber das, was eine Durchreise- und Er-
holungsstation bieten soll: Nämlich die kulturellen,
die ästhetisch gehobenen, die besonderen, die feier-
täglichen Lebenswerte, auch wenn sie sich, wie viele
kunsthandwerkliche und kunstindustrielle Zweige, nur
auf den äußerlichen Komfort, auf das häusliche Behagen
beziehen. Oder behelfen wir uns, bis unsere Produktion
wieder erstarkt ist, in Gottes Namen mit mehr lehrhaften,
technisch oder wirtschaftlich orientierten Ausstellungs-
thematen, dann aber nie ohne dabei auch den künstleri-
schen und kunsthandwerklichen Zweigen, die nun einmal
unser eigenstes Feld sind, hinreichend Spielraum zu lassen.
Die Welt ist heute allenthalben teils vergraut, teils
brutal verlärmt. Wer aus ihr nach München kommt, der
kommt deshalb, um sowohl dem grauen Alltag wie dem
grellen Lärm für eine Weile zu entrinnen. Wahrt unser
Ausstellungenwesen, wahren unsere Kunstdarbietungen
nicht streng den Charakter einer raffiniert gepflegten
Kultur-Oase inmitten der trostlosen Wüstenei des mo_
dernen Lebens, so werden wir durch Qualitätsminderung
und falsches Popularitätsstreben nicht etwa die Massen
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