können ohne die Logik, ohne die Vernunft der uns über-
lieferten Formengeschichte.
Doch genug von diesem intimen, an den schaffenden
Künstler gerichteten Kapitel. Nehmen wir an, daß er in
den neuen Aufgabenkreis, dessen Erforschung im einzel-
nen ein Thema für sich wäre, hineinwächst — er wird
sicher in ihn hineinwachsen, einfach weil er muß, weil
kein Zeitwandel auf die Dauer die gestaltenden und die
konsumierenden Kräfte zu lähmen vermag — aber jeden-
falls müssen wir ihm seine Aufgabe durch die Art unse-
rer Kunstdarbietung, unseres Kunstbetriebs zu erleichtern
suchen.
Da haben wir nun kein anderes Mittel gegen die Sint-
flut des Überflüssigen, Verjährten, Ablenkenden, Abwe-
gigen, die uns heute zu ersticken droht, die jeden neuen
gesunden Anfang behindert, als Auslese, Auslese
und noch einmal Auslese.
Schon beim einzelnen sollte sie einsetzen in Form einer
unbestechlichen Selbstkritik, eines festen Glaubens und
Danachhandelns, daß nur der besten, der notwendigsten
Leistung ökonomischer Erfolg zuteil werden kann. Fort-
setzen sollte sich diese Auslese in der internen Erneue-
rung und Auffrischung und in der Ausstellung^ und Re-
präsentationspolitik der Produzentenverbände, nament-
lich wo es sich darum handelt, Münchner Kunst und
Werkkunst außerhalb Münchens zu vertreten. Unsere
Produzenten- und Ausstellergruppen, die sich heute viel
zu sehr als bloße Wirtschaftsgemeinschaften, als Interes-
sentengruppen fühlen und dabei gerade in dieser Haltung
aussichtslos geworden sind, wenn sie keine neue geistige
Basis gewinnen, können nur von der neuen zeiterfüllen-
den Leistung her wieder zu Trägern einer geistigen Be-
wegung werden und nur auf diese Weise wieder Interesse
für ihre Produktion erwecken.
Auslese zu fördern, Spitzenleistungen heranzuziehen
und vor der Öffentlichkeit ins rechte Licht zu stellen,
wäre nicht nur die Aufgabe der reformwilligen Produ-
zentengruppen, sondern die Mission einer unabhängigen,
über allen Meinungs- und Interessengegensätzen stehen-
den, am besten mit einer gewissen amtlichen Autorität
bekleideten Stelle.
Ich denke dabei gewiß nicht an die terroristischen
Schrecknisse einer Kunstdiktatur oder einer Cliquen-
tyrannis, die mehr oder minder anonym und mit mehr
oder minder verbitternder Wirkung schon oft genug in
München geherrscht hat. Ich denke vielmehr an eine
neutrale, über jeden noch so leisen Verdacht persönlicher
oder korporativer Interessiertheit erhabene, rein ideell
und akademisch arbeitende Ausgleichsstelle, die das Beste
aller konkurrierenden Kreise zu sammeln, zu pflegen und
zur Geltung zu bringen hätte. Wir brauchten heute für
München dieselbe Leistung, die Lichtwark für Hamburg,
Wiehert für Mannheim vollbracht haben, und wir dürften,
wenn wir das Prinzip unfruchtbarer Kunstkommissionen
mit dem Prinzip autoritativer, jedoch parlamentarisch-
öffentlich kontrollierter Auslese vertauschen, die Proteste
derer, die sich benachteiligt fühlen würden, nicht fürch-
ten, wenn wir imstande wären, die aus sachlichen Grün-
den Zurückgewiesenen gleichzeitig zu besseren Versuchen
anzuregen und deren Gelingen positiv zu fördern und
zu belohnen.
Ich bin wahrhaftig der Letzte, Härte gegen wirtschaft-
lich Hilflose zu empfehlen, aber wirtschaftliche Bedürf-
tigkeit darf kein Freibrief werden zur Sabotage des kul-
turellen Wiederaufbaus, der uns nottut. Kunst pflege
ist etwas wesentlich anderes alsWohlfahrtspflege. Der
Abbau unseres Künstlerproletariats, der am besten, wie
auch in anderen Berufen, durch Umschulung und Arbeits-
beschaffung auf anderen als den künstlerischen Gebieten
erfolgen würde, ist eine dringliche Aufgabe der sozialen
Fürsorge, zu der besondere Mittel in keinem Fall ge-
weigert werden dürften, weil wir uns nur so vor der Ver-
geudung von Mitteln durch ein unfruchtbares System
schützen können, das karitative und kulturelle Gesichts-
punkte fortwährend durcheinandermengt und schließlich
niemandem nützt, weder der allgemeinen kulturellen
Lage noch den Notleidenden.
Freilich bedingt die Förderung des Ausleseprinzips
als Gegenleistung an die Masse der Künstlerschaft, daß
man ihr ihre Ausstellung^ und Marktgelegenheiten nicht
verkümmert und beschneidet, daß vielmehr von allen
öffentlichen Stellen tunlichst gefördert wird, was immer
die Künstlerschaft korporativ unternehmen mag.
Wir sind damit schon in die Erörterung unseres offi-
ziellen Ausstellungenwesens eingetreten, dessen gedeih-
liche Lösung vor allem eine Platzfrage, Raumfrage ist.
Wir brauchen die räumliche Trennung der repräsenta-
tiven Ausleseausstellungen, durch die wir die Blicke der
Welt wieder auf München lenken müssen, und des großen
allgemeinen Kunstmarktes, den die Künstlerschaft am
besten in eigener Regie und so bunt und abwechslungs-
voll wie möglich zu gestalten hätte.
Diese Raumfrage ist, wie die Dinge mit dem veralte-
ten, nur zu einem Teil des Jahres benutzbaren Glaspa-
lastgebäude nun einmal liegen, eine Baufrage, und Baufra-
gen sind Geldfragen, also in heutiger Zeit das schwierigste
aller Probleme. Wir müssen gleichwohl eine großzügige
Lösung zeitig vorbereiten, denn an der repräsentativen
Darbietung dessen, was wir zu bieten haben, liegt schlecht-
hin alles.
Wie weit wir dies mit Hilfe staatlicher und städtischer
Mittel leisten können, wie weit uns dabei private Gebe-
freudigkeit, ja, wenn wir etwa an eine Lotterie denken, die
Beteiligung weiter Bevölkerungsschichten unterstützen
könnte, ob der von mir schon einmal in die Debatte ge-
worfene Gedanke einer Reichs-Beihilfe zu einem Kul-
turwerk, das nicht nur der Stadt München und dem Lande
Bayern, sondern dem gesamten Deutschland zugute käme,
ein zu optimistischer Gedanke ist — das alles sind Fragen
organisatorischer Art, die sich meines Erachtens sehr wohl
erörtern und von den Verwaltungs- und Finanz-Sachkun-
digen wohl auch lösen ließen, wenn in unseren Fach-
kreisen, wenn bei unseren Intellektuellen und vor allem
bei den maßgebenden Stellen der Regierung und der
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lieferten Formengeschichte.
Doch genug von diesem intimen, an den schaffenden
Künstler gerichteten Kapitel. Nehmen wir an, daß er in
den neuen Aufgabenkreis, dessen Erforschung im einzel-
nen ein Thema für sich wäre, hineinwächst — er wird
sicher in ihn hineinwachsen, einfach weil er muß, weil
kein Zeitwandel auf die Dauer die gestaltenden und die
konsumierenden Kräfte zu lähmen vermag — aber jeden-
falls müssen wir ihm seine Aufgabe durch die Art unse-
rer Kunstdarbietung, unseres Kunstbetriebs zu erleichtern
suchen.
Da haben wir nun kein anderes Mittel gegen die Sint-
flut des Überflüssigen, Verjährten, Ablenkenden, Abwe-
gigen, die uns heute zu ersticken droht, die jeden neuen
gesunden Anfang behindert, als Auslese, Auslese
und noch einmal Auslese.
Schon beim einzelnen sollte sie einsetzen in Form einer
unbestechlichen Selbstkritik, eines festen Glaubens und
Danachhandelns, daß nur der besten, der notwendigsten
Leistung ökonomischer Erfolg zuteil werden kann. Fort-
setzen sollte sich diese Auslese in der internen Erneue-
rung und Auffrischung und in der Ausstellung^ und Re-
präsentationspolitik der Produzentenverbände, nament-
lich wo es sich darum handelt, Münchner Kunst und
Werkkunst außerhalb Münchens zu vertreten. Unsere
Produzenten- und Ausstellergruppen, die sich heute viel
zu sehr als bloße Wirtschaftsgemeinschaften, als Interes-
sentengruppen fühlen und dabei gerade in dieser Haltung
aussichtslos geworden sind, wenn sie keine neue geistige
Basis gewinnen, können nur von der neuen zeiterfüllen-
den Leistung her wieder zu Trägern einer geistigen Be-
wegung werden und nur auf diese Weise wieder Interesse
für ihre Produktion erwecken.
Auslese zu fördern, Spitzenleistungen heranzuziehen
und vor der Öffentlichkeit ins rechte Licht zu stellen,
wäre nicht nur die Aufgabe der reformwilligen Produ-
zentengruppen, sondern die Mission einer unabhängigen,
über allen Meinungs- und Interessengegensätzen stehen-
den, am besten mit einer gewissen amtlichen Autorität
bekleideten Stelle.
Ich denke dabei gewiß nicht an die terroristischen
Schrecknisse einer Kunstdiktatur oder einer Cliquen-
tyrannis, die mehr oder minder anonym und mit mehr
oder minder verbitternder Wirkung schon oft genug in
München geherrscht hat. Ich denke vielmehr an eine
neutrale, über jeden noch so leisen Verdacht persönlicher
oder korporativer Interessiertheit erhabene, rein ideell
und akademisch arbeitende Ausgleichsstelle, die das Beste
aller konkurrierenden Kreise zu sammeln, zu pflegen und
zur Geltung zu bringen hätte. Wir brauchten heute für
München dieselbe Leistung, die Lichtwark für Hamburg,
Wiehert für Mannheim vollbracht haben, und wir dürften,
wenn wir das Prinzip unfruchtbarer Kunstkommissionen
mit dem Prinzip autoritativer, jedoch parlamentarisch-
öffentlich kontrollierter Auslese vertauschen, die Proteste
derer, die sich benachteiligt fühlen würden, nicht fürch-
ten, wenn wir imstande wären, die aus sachlichen Grün-
den Zurückgewiesenen gleichzeitig zu besseren Versuchen
anzuregen und deren Gelingen positiv zu fördern und
zu belohnen.
Ich bin wahrhaftig der Letzte, Härte gegen wirtschaft-
lich Hilflose zu empfehlen, aber wirtschaftliche Bedürf-
tigkeit darf kein Freibrief werden zur Sabotage des kul-
turellen Wiederaufbaus, der uns nottut. Kunst pflege
ist etwas wesentlich anderes alsWohlfahrtspflege. Der
Abbau unseres Künstlerproletariats, der am besten, wie
auch in anderen Berufen, durch Umschulung und Arbeits-
beschaffung auf anderen als den künstlerischen Gebieten
erfolgen würde, ist eine dringliche Aufgabe der sozialen
Fürsorge, zu der besondere Mittel in keinem Fall ge-
weigert werden dürften, weil wir uns nur so vor der Ver-
geudung von Mitteln durch ein unfruchtbares System
schützen können, das karitative und kulturelle Gesichts-
punkte fortwährend durcheinandermengt und schließlich
niemandem nützt, weder der allgemeinen kulturellen
Lage noch den Notleidenden.
Freilich bedingt die Förderung des Ausleseprinzips
als Gegenleistung an die Masse der Künstlerschaft, daß
man ihr ihre Ausstellung^ und Marktgelegenheiten nicht
verkümmert und beschneidet, daß vielmehr von allen
öffentlichen Stellen tunlichst gefördert wird, was immer
die Künstlerschaft korporativ unternehmen mag.
Wir sind damit schon in die Erörterung unseres offi-
ziellen Ausstellungenwesens eingetreten, dessen gedeih-
liche Lösung vor allem eine Platzfrage, Raumfrage ist.
Wir brauchen die räumliche Trennung der repräsenta-
tiven Ausleseausstellungen, durch die wir die Blicke der
Welt wieder auf München lenken müssen, und des großen
allgemeinen Kunstmarktes, den die Künstlerschaft am
besten in eigener Regie und so bunt und abwechslungs-
voll wie möglich zu gestalten hätte.
Diese Raumfrage ist, wie die Dinge mit dem veralte-
ten, nur zu einem Teil des Jahres benutzbaren Glaspa-
lastgebäude nun einmal liegen, eine Baufrage, und Baufra-
gen sind Geldfragen, also in heutiger Zeit das schwierigste
aller Probleme. Wir müssen gleichwohl eine großzügige
Lösung zeitig vorbereiten, denn an der repräsentativen
Darbietung dessen, was wir zu bieten haben, liegt schlecht-
hin alles.
Wie weit wir dies mit Hilfe staatlicher und städtischer
Mittel leisten können, wie weit uns dabei private Gebe-
freudigkeit, ja, wenn wir etwa an eine Lotterie denken, die
Beteiligung weiter Bevölkerungsschichten unterstützen
könnte, ob der von mir schon einmal in die Debatte ge-
worfene Gedanke einer Reichs-Beihilfe zu einem Kul-
turwerk, das nicht nur der Stadt München und dem Lande
Bayern, sondern dem gesamten Deutschland zugute käme,
ein zu optimistischer Gedanke ist — das alles sind Fragen
organisatorischer Art, die sich meines Erachtens sehr wohl
erörtern und von den Verwaltungs- und Finanz-Sachkun-
digen wohl auch lösen ließen, wenn in unseren Fach-
kreisen, wenn bei unseren Intellektuellen und vor allem
bei den maßgebenden Stellen der Regierung und der
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