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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 79.1929

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Rose, Hans: Das neue Frankfurt
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https://doi.org/10.11588/diglit.7096#0038
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Freilich wäre es ein Irrtum, zu glauben, daß andere Städte mit dem gleichen Erfolg den
Weg der Siedelung beschreiten könnten. Frankfurt gründet seine Leistung auf Ausnahme-
zustände und auf eine höchst ungewöhnliche Vorgeschichte. Vor allem ist die Stadt als Ganzes
ein gesunder städtebaulicher Organismus. Schon die Altstadt ist trotz ihrer Enge klar und natür-
lich geordnet. Der Fürstprimas hat für die großen Ausfahrtsstraßen gesorgt, die teils radial, teils
dem Fluß parallel verlaufen. Die Umwandlung der Wälle in Gartenanlagen ist ohne Ermüdung
und künstlerisch soweit befriedigend durchgeführt worden, wie das bei der im Kern unglücklichen
Aufgabe nur irgend möglich war. Was aber heute in Frankfurt geschieht, wäre undenkbar, wenn
nicht das Regiment Adickes vorausgegangen wäre, dem ein ganz einzigartiger Weitblick in
städtebaulichen Fragen nachzurühmen ist. Man lernte in größten Zusammenhängen planen und
es bildete sich ein befreundetes Verhältnis heraus zwischen Großbeamten und Grofibürgern,
das noch heute fortbesteht. Zwei Drittel des Bodens rings um Frankfurt lind schon damals in
den Besitz der Stadt übergegangen. Straßenbau und Verkehrswesen stellen sich in den Dienst
dieses Besitzes. Der Bebauungsplan, die Grünflächenpolitik, Ichließlich die Siedlungspolitik
werden auf den städtischen Großbesitz bezogen und durch diesen Belitz finanziert. Aufwand und
Gewinn halten sidi gegenseitig das Gleichgewicht, so daß die günstigen Wohnverhältnisse Geh
als dauernder Genuß, als feste Rente ergeben. Die tatsächliche Steuerkraft der Bürger tut ein
übriges. Stiftungen kommen hinzu. Vornehmlich aber hat Frankfurt es verstanden, die Verant-
wortungen für dieses Riesenkapital nicht zu verzetteln. Weil der Oberbürgermeister selbst be-
deutende Freiheiten genießt, ist er imstande, größere oder kleinere Teile seiner Befugnisse an
die geeigneten Hilfskräfte abzugeben. Der heutige Stadtbaurat vereinigt so umfasfende Kom-
petenzen, wie sie anderwärts kaum den Monarchen zugestanden zu werden pflegten. Hochbau-
amt und Siedelungswesen liegen in der gleichen Hand. Das Verkehrswesen und die öffentliche
Fürsorge werden abhängig von der Hauptinstanz. Und darin liegt das Geheimnis eines brauch-
baren städtebaulichen Systems: Vieles zusammen zu sehen und die Kräfte in ihrer gegenseitigen
Bedingtheit zu begreifen. Natürlich kann dem Fluch der Massenhaftigkeit in den Siedelungen
nicht vollständig ausgewichen werden. Aber man tut doch das Menschenmögliche. Die Siedelung
Niederrad ist kreisförmig angelegt, die Zellenhäuser übereck gegeneinander anlaufend. Die
Riedhoffiedelung arbeitet mit hackenförmigen Bauzeilen, damit Durchblicke frei bleiben. Die
Römerstadt bei Heddernheim ist aus gebogenen Einheiten, Praunheim aus Hausstrecken von
gewaltiger Länge, die Siedelung Nußallee (am wenigsten gelungen) aus Blockbauten mit bei-
geordneten kleineren Haustypen hergestellt. Dabei schließt es keinen grundsätzlichen Unter-
schied in sich, ob Einfamilienhäuser oder Etagenhäuser gebaut werden. Sie unterliegen gleicher-
maßen der einigenden, technisch bedingten Linie. Von außen erkennt man ost gar nicht, ob
Einzelzellen oder Etagen das Einteilungsschema bilden. Entscheidungen dieser Art haben Geh in
das Innere zurückgezogen. Auch auf den Mietpreis hat der Haustypus keinen merklichen Einfluß.
Sofern keine Stiftungen vorliegen, stellt sich der Wohnraum auf 35—40 Mark. Etwas teurer als
in der Vorkriegszeit, wobei zu bedenken ist, daß etwa 50"»der Nachkriegsverteuerung eingespart
werden und die Installierung der Häuser nicht nur komfortabel und gefällig, sondern praktisch
so durchdacht ist, daß sich in der Bewirtschaftung allmonatlich Einsparungen ergeben werden.
Eine gewisse Uniformierung läßt sich nicht vermeiden. Aber das Kunstbedürfnis kommt dennoch
zu seinem Recht. Man genügt ihm entweder durch den originellen Gesamtplan oder durch die

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