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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 79.1929

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Martin, Kurt: Bauaufgaben und Baulösungen in Baden
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https://doi.org/10.11588/diglit.7096#0256
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BAUAUFGABEN UND
BAULÖSUNGEN IN BADEN von kurtmartin

I. DER HEIDELBERGER U NIVERSITÄTS WETTB E WERB
Die Entscheidung der Jury wurde so zahlreich und schars von der Presse angegriffen, daß die
Frage nach den Ursachen berechtigt ist. Man erinnert sich, daß die Erhaltung von vier vorhan-
denen, stilistisch verschiedenen Baukörpern - des Seminargebäudes, des Neuen Kollegienhauses,
der alten Polt und des Hexenturmes - als Grundbedingung für den Wettbewerb aufgeteilt
wurde. Um so befremdlicher ist es, daß man lieh jetzt nach erledigtem Wettbewerb entschließen
mußte, das Neue Kollegienhaus abzureißen, sei es wegen der Unbrauchbarkeit des Gebäudes
oder des gewählten Projektes, sei es, wie man auch hört, weil Botsehafter Schurmann mit dieser
Art von Zwischenbauten nicht zufrieden war und einen Amerika-Bau erstellt wissen wollte. In
jedem Fall wird aus all dem deutlich, daß der Wettbewerb auffallend schlecht, um nicht zu sagen
bedenklich vorbereitet war, und das umso mehr, als ein Gerücht davon spricht, daß das Seminar-
gebäude bereits baufällig ist und in absehbarer Zeit niedergelegt oder kostspielig repariert werden
muß. Dabei handelt es sich immerhin um eine der repräsentativsten Bauaufgaben, die nicht nur
Baden, sondern Deutschland zu vergeben hatte.
Die erste Frage, die die Jury zu beantworten hatte, war: Wird man modern oder historilch
bauen? Die Bedingungen des Wettbewerbes beweisen, daß man historifche Architektur wünsehte.
Warum auch sollte man jetztzeitlich bauen, wo man doch so viele Stile zur Verfügung hatte ?
Damit waren die beiden Entwürfe von Fahrenkamp und Esch gefallen, von denen zu bemerken
ist, daß sie durch Stildifferenz dem historischen Bestand in schonendster Weise gerecht wurden.
Keiner dieser Entwürfe ging übrigens auf den naheliegenden Gedanken einer Hofarchitektur
ein, der, gerade weil er (ich sozusagen aufdrängte, nur mit großer Vorsicht aufgenommen werden
durfte. Das Projekt von Esch zeichnete sich außerdem durch besondere Wirtschaftlichkeit aus.
Nachdem man sich entschlossen hatte, auf das romantifche Heidelberg Rücksicht zu nehmen,
mußte es darauf ankommen, für diesen Zweck das Beste zu finden. Gerade beim historisch an-
geglichenen Bau mußte die formale Bearbeitung mindestens gleichwertig mit der Zweckmäßig-
keit der Architektur in Betracht gezogen werden, wobei festzustellen ist, daß praktische Ver-
besserungen eines Projektes in der Regel leichter zu erreichen sind als nachträgliche Steigerung
der formalen Haltung. Geht man von dieser Grundlage aus, so kamen für eine Entscheidung
unseres Erachtens - und wir gehen hier mit fast allen Beurteilern einig - nur die Projekte von
Schmitthenner und Läuger in Frage. Schmitthenner ist jedenfalls der einzige, der die Hofarchi-
tektur feinsinnig und in belebter Verbindung mit der Straße gestaltet. Auch der Außenbau ist
reizvoll, allein das Projekt verstößt gegen die Bestimmung, da die alte Post abgerissen wird, um
das Zusammengeflickte zu vermeiden und eine klare Lösung der Eckfronten zu erreichen. Damit
war auch dieser Entwurf ausgelchieden, obwohl stärkere Zeiten auf Grund einer hervorragenden
Leistung den mensehlichen Mut aufbrachten, einen Paragraphen zu beilegen und osfen ungerecht
zu sein. Es blieb der Entwurf von Läuger, doch hier war ein Umbau des Kollegienhauses vor-
gelchlagen und außerdem ein sehr viel weitergreifender Gedanke ausgesprochen, da der Ludwigs-

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