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Kunst der Nation — 1.1933

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Ruthenberg, Alfred: Feierabend der Arbeiter und Künstler
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Brehm, Bruno: Der nackte und der bekleidete Mensch: die beiden Stöme der Kunstentwicklung
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15. Dezember 7 <-33, Nr. 4

Verlag Kunst der Nation G. m. b. §>., Berlin W 62, Kurfürstenstr. 118. Telefon: B 5, Barbarossa 1260.
Bankkonto: Commerz-und Privatbank A.G, Dep.-Kasse M., Berlin W 50, Tauenhienstraße 18a. Postscheck-
konto Berlin Nr. 55241. Erscheinungstermin: 1. und 15. jeden Monats. Bezugspreis: vierteljährlich
1,80 Mk., jährlich 7,20 Mk. Zu beziehen beim Verlag, bei der Post oder beim Buchhändler.

Einzelpreis 30 Pfennige

Feierabend der Arbeiter und Künstler

Niemand zweifelt daran, daß dieser große Plan
Dr. Leys, des Führers der deutschen Arbeitsfront,
geschichtliche Bedeutung gewinnt, wenn unser
Wille stark genug ist, ihn durchzusctzen: denn es
handelt sich um nichts Geringeres als um einen
ersten gewaltigen Ausdruck der Volksgemeinschaft,
die ihre äußere Form in der Organisation
gefunden hatte, und die nun als Orgauis m u s
zu atmen beginnt. Aue Anfang jedes Lebens steht
die Bereitschaft. Hier ist die Kunst bereit, wieder
zu den Wurzeln ihrer Kraft, zum Volkstum,
zurückzukehren, ihre Berufung, Symbolgestalter
des Volkes zu sein, erkennend, aus einer neuen
Verantwortlichkeit heraus sich selbst noch einmal
zu gebären; und hier ist das Volk bereit, wieder
die geheimnisvollen Gestaltungskräfte seines
eigenen Blutes zu achten und die vom Schicksal
bestimmten Träger dieser Kräfte als seines-
gleichen, ja mehr, als Deuter des völkischen Schick-
sals zu empfinden.
„Aber das Eine wissen wir, daß wir
alle deutschen Menschen an der überreichen
und hohen Kultur der deutschen Kunst,
der Musik, des Theaters und des
Films, den Schönheiten unseres
Landes, der sportlichen Ertüchtigung unseres
Volkes, mit einem Wort, an der Freude und der
Schönheit des Lebens in unserem Volke tcilnehmen
Vorbedingungen hierfür sind äußerst gering
gegenüber dein gewaltigen Widerhall und Erfolg,
den eine solche Aktion im Volke finden wird.
Teilnahme au der Kultur ist nicht
abhängig von Geld und Besitz.
Der Weimarer Staat hat es nicht einmal ver-
mocht, das Vorrecht der Besitzenden aus die Kunst-
und Kulturgüter unseres Volkes zu brechen.
Grundsatz muß sein: Nicht der, der
Geld hat und Besitz sein eigen
nennt, hat ein Anrecht auf den
Genuß unserer Kultur, sondern
nur der, der ein inneres Bedürfnis
danach hat, ganz gleich, ob ihn das
Schicksal mit irdischen Gütern ge-
segnet hat."
„Und in jeder größeren Stadt oder in einem
Distrikt wird der Mittelpunkt des geselligen Lebens
das „Haus der Deutschen Arbeit" bilden.
Dieses Haus der Arbeit soll und
muß das Zentrum des geselligen
und kulturellen Lebens werden.
Es muß äußerlich architektonisch das Schönste
sein, was die Stadt zu bieten hat. Und im Innern
vornehm und zweckmäßig, vor allem alle Einrich-
tungen enthalten, die zur Freude und zur Aus-
spannung der Menschen dienen sollen. Spiel-
zimmer, Klubzimmer, Sportsäle, Bäder, Theater,
auch Schlaf- und Heimstätten für durchwandernde
Volksgenossen und in der Mitte ein großes Forum,
wo 10000 und IS000 Menschen zusammeugcrufcn
werden können, wo eine Freilichtbühne vorhanden
ist, die im Winter nach dem Saal geöffnet werden
kann, mit einem Wort, diese Art der Häuser muß
sich grundsätzlich von dem Kitsch der Gewcrkschafts-
uud Bolkshäuser unterscheiden. Unsere Häuser
müssen das Würdigste und Schönste sein, was dem
Volke geboten werden kann."
„Wie wird nun die Organisation arbeiten?
Grundsatz muß sein: Man muß dem Volke
das Beste vom Besten bieten. Es
darf in Deutschland außerhalb
dieser Organisation nichts geben,
das bessere Kräfte oder bessere
Kunst- und Sportgenüsse bieten
könnte. Wir müssen grundsätzlich mit der
bürgerlichen Auffassung, daß für das gemeine
Volk alles gut genug sei, da es ja doch nichts
davon verstehe, brechen. Kunst ist erst in zweiter
und dritter Hinsicht eine Sache des Verstandes, in
erster Linie ist sie eine Frage des Instinkts und
der Rasse und damit des Gefühls. Ja, ich möchte
sogar folgenden Satz aufstellen, daß die Schulen
und Hochschulen, das heißt die Summe des
Wissens, den künstlerischen Instinkt abstumpfeu
und verflachen können."
„Wir müssen weiter dafür sorgen, daß diese
Güter der Kultur, der Ermächtigung usw. dem
Volke materiell ermöglicht werden. Jeder Künst-
ler in Deutschland muß einsehen, daß er einen
Teil seiner Kraft wie jeder andere Deutsche auch
dem Feierabendwcrk schenken soll.
„In Italien sind alle Sänger und Schauspieler
und Musiker verpflichtet, vier Wochen im Jahre
der Dopolavoro zur Verfügung zu stehen. Der
Herr Rcichspropagandaminister hat mir auch für

Bon
Alfred Ruthenberg
Abteilungsleiter der Reichsleitung der N.S.D.A.P. (N.S.B.O.)

Deutschland ähnliche Vorteile in Aussicht gestellt.
„Dem Volk die Kunst.
„Kunst an das Volk h e r a n b r i n g c n,
damit das Volk zur Kunst kommt."
(D r. Le y.)
Es gilt hier von Anfang an, eine der Bedeu-
tung des großen Planes entsprechende Haltung
einzunehmen. Arbeiter und Künstler kommen
nicht zusammen, sondern werden zueinander ge-
führt, daher wird die Erscheinungsform der
Freizeitgestaltung von dem Willen des Führers
abhängcn. Dr. Ley hat es sehr allgemeinverständ-
lich ausgesprochen: Das Beste ist gerade
gut genug.
Es sollten hier'eigentlich keine Mißverständnisse
mehr möglich sein. Man kann Wohl sagen, daß es
Kunstwerke gibt, die einen höheren Grad innerer
Leistungsfähigkeit bei den Kunstempfangenden
voraussetzen, nur daß diese Leistungsfähigeren
nicht in einer horizontal gedachten Schichtung sich
mit den materiell oder der wissenschaftlichen Vor-
bildung nach Besscrgcstelltcu deckt. Die Schichtung
ist vertikal, der ärmste Arbeiter kann ebenso zu
der Menge dieser Leistungsfähigeren gehören wie
der hohe Staatsbeamte oder der Bankier. Geld
oder Vorbildung ist nicht entscheidend für die
Spannkraft der inneren Veranlagung. So wird
stu/ e>t>e j^stulistrsty Ve^eunvecc, am vmro-
kreise durchsetzende kulturelle Führerschicht bilden.
Die Masse der anderen Volksgenossen — reich
oder arm, wissenschaftlich oder praktisch erzogen —
wird dagegen, ohne degradiert zu sein oder sich als
degradiert zu fühlen, die Oratorien von Bach, die
großen Opern und manche klassischen Theater-
aufführungen meiden. Sie wird sich den unkom-
plizierteren Kunstwerken zuwenden: das ist natur-
begründet und daher gut; zumal auch hier, mag
es sich um Lustspiele oder Operetten oder sonst
etwas handeln, die Forderung bestehen bleibt:
Das Beste ist gerade gut genug!
Es gibt schwer verständliche und leicht verständ-
liche Kunstwerke. Beide können ihrem künstleri-
schen Leistungsgehalt nach gleichwertig sein. W i r
müssen das Volk zu einem neuen
Respekt vor der künstlerischen Ge-
staltung erziehen, damit die einen nicht
aus einem grundlosen Dünkel heraus alle cin-

Eiu allgemeiner Irrtum
Ein allgemeiner Irrtum, aus dem viele Fehl-
schlüsse abgeleitet werden, ist der: daß sich Nackt-
sein und Bckleidetsein der menschlichen Gestalt in
der bildenden Kunst nach dem Klima der Länder
richtet, in dem diese Kunstwerke entstehen oder
entstanden sind. Dieser Irrtum beruht Wohl
hauptsächlich daraus, daß für uns das Griechen-
land der Klassik und das Italien der Renaissance,
die beiden Hauptländcr der Darstellung nackter
Menschen, im Süden liegen, während die Gotik
des Nordens die Hauptträgerin der bekleideten
menschlichen Gestalt ist.
Aber da nicht einmal die Bekleidung des Men-
schen von dem Klima, in dein er lebt, abhängt,
sondern von dem Klima jenes Landes, aus dem er
kommt, da wir in Afrika den bekleideten Weißen,
Türken, Inder und Araber neben dem nackten
Neger finden, und da die in den Eiseinöden von
Kap Horn hausenden Feuerländer fast nackt sind,
da die Frau des Mohammedaners im heißesten Land
mehr bekleidet ist als die Frau des Weißen in
kühlen Ländern, so werden wir annchmen müssen,
daß für die Kleidung noch ganz andere Vor-
schriften gelten als jene, welche das Klima diktiert.
Noch viel weniger läßt sich aber der Schluß von
der Bekleidung des Menschen auf die Bekleidung
der Geschöpfe seiner Kunst ziehen. Gauguin malte
die Südseemenschen von Noa-Noa nackt, aber diese
nackten Menschen kennen — genau wie die Neger
— in den Darstellungen ihrer ornamentalen Kunst
selbst nichts Nacktes. Und auch in Griechenland,
wo die Darstellung des nackten Menschen den

fachen Kunstwerke für Kitsch, und jene anderen
nicht aus einer Art geistigen Selbsterhaltungs-
triebs heraus alles, was sie nicht verstehen, für
Künstlerwahnsinn erklären!
Auf alle Fälle aber, ob es sich nun um
Theateraufführungen, Konzerte, Filme, Rund-

funkdarbietungen, Borträge oder Ausstellungen
handelt — und alle diese Kunstgattungen sollen
ja nach dem Willen Dr. Leys in den großen
„Häusern der Arbeit" zu Wort kommen—, auf alle
Fälle gilt es, den fundamentalen Feind jeder
Kunst vom Volk fernzuhalten: den Kitsch-
produzenten! Gerade bei einem Kultur-
unternehmen der vorliegenden Art besteht die Ge-
fahr des Eindringens der Minderwertigkeit unter
dem heuchlerischen Mantel der „Volkstümlichkeit"!
Die Kitschproduzenten werden versuchen, der
Bequemlichkeit des Volkes durch Darbietuug von
„Schönheit" im Sinne von „Niedlichkeit" zu

Von
-s
Bruno Brehm
Höhepunkt der bildenden Kunst bildet, dürften die
Jüngtinge kaum außerhalb der Gymnasien nackt
herumgesprungen sein; ebensowenig die Jüng-
linge Michelangelos oder die Frauen Tizians oder
Rubens' außerhalb der Werkstätten dieser Künstler.
Wir müssen also, um dieser Erscheinung auf
den Grund zu kommen, tiefer gehen.
Die beiden großen Gruppen
der bildenden Kunst
Wir kennen große Gebiete und Zeiten in der
bildenden Kunst, welche die Darstellung — nicht
nur des Menschen — überhaupt nicht kennen.
Man hat dies früher, unter Einstuß der Darwin-
schen Entwicklungslehre, als ein Entwicklungs-
stadium jeder Kunst hingestcllt, das so durchlaufen
werden müM--ip.ie Kindheit nnd Jugend, worauf
daun in'Heu-Aannesjahren der Höhepunkt, die
darstellende .Kunst erreicht werde. Die ganze
Kunst des Islam mit ihrem Bilderverbot wirft
ja schon dieses Gesetz nm, da sie — nach jener
alten Auffassung — ein Durchgangsstadium aller
Künste verewigen würde. Wir können daher die
Kunst der jüngeren Steinzeit, welche rein orna-
mental ist, nicht als eine Zeitstufe ansehen, son-
dern als eine Grundhaltung, die sich durch dcu
Islam sagen wir — legalisieren läßt. Dieser
darstcllnngslosen, schmückenden Kunst steht gegen-
über — getrennt nach Herkunft, verschieden in
ihrer ganzen r Grundhaltung — die darstellende
Kunst, die wir zum erstenmal früher schon treffen,
die Kunst der naturnahen Höhlenmalereien, die
Kunst.der Tierdarstellungen. Aus den Mischungen

schmeicheln. Darum will ich fcststellen, daß gerade
der Arbeiter, hinter dem das harte Fxnnterlebuis
liegt, für eine „harnionische", weichliche Sofa-
kissenkultur einer satten liberali-
stischen Bürgerlichkeit wenig Verständnis
haben dürfte. Auch wenn er sich dergleichen bieten
lassen sollte, wäre es die Verantwortliche Aufgabe
seiner Führer, eine solche, dem revolutionären und
zuknnftsstrebenden Geist unserer Zeit Hohn
sprechende Art von Unterhaltungsware von ihm
abzuwehren.
Wenn der Feierabend, den der Arbeiter nicht
über sich ergehen läßt, sondern an dem er aktiv
mitwirken muß, zu einem wirklichen Feierabend
der Arbeiter und Künstler werden soll, wie er vom
Führer der D.A.F., Dr. Ley, gedacht ist, dann muß
zuvor der Arbeiter bereit sein, der Wesensart der

Künstler Verständnis entgcgcnzubringen, und der
Künstler muß bereit sein, dcu Arbeiter zu ver-
stehen. Dann bildet sich ein Zusammengehörig-
keitsgefühl, eine Gemeinschaft. Das ist notwendig.
Denn die Feierabendgestaltung gelingt nur,
wenn sie der Ausdruck lebendiger
völkischer Gemeinschaft ist.
„Wir leben in einer jungen Zeit, ihre Träger-
sind jung, die Ideen, die sie erfüllen, sind jung."
(Dr. Goebbels.) Auch bei der Gestaltung des deut-
schen Feierabends vertrauen wir auf den revo-
lutionären Form willen einer neuen
Jugend.

und Überlagerungen, aus dem Grade der Mischung
zwischen diesen beiden völlig verschiedenen Kunst-
gattungen entstehen dann die voneinander so ver-
schiedenen Kunstkreise der ganzen Welt.
Die d a r st e l l u n g s l o s e Kunst
Dieser große Zweig der bildenden Kunst hat
leider keinen anderen Namen als den der orna-
mentalen Kunst. Sie wird bei manchen Völkern
durch ein religiöses Bilderverbot vor dem Ein-
bruch der darstellenden Kunst geschützt (bei den
Juden, bei den Mohammedanern), sie kämpft gegen
diese an wie im frühen Christentum mit Bilder-
stürmen, Bilderverboten, sie meldet sich in den
Ländern der Reformation immer wieder durch
Bilderfcindschaft. Nirgends wird man eine so
schöne Sammlung gotischer Holzplastik finden wie
in den skandinavischen Museen, wo die von den
Geistlichen auf deu Speichern der Kirchen vor den
Bilderstürmern in Sicherheit gebrachten Heiligen-
statuen in den letzten Jahrzehnten gesammelt und
aufgestellt worden sind.
Denn vor dem Eindringen der menschlichen
Gestalt, die in der Gefolgschaft des Christentums
aus den Mittelmeerländern in die Nordgebiete
kam, bildeten diese — über die weiten Ebenen des
Ostens bis nach China hinüber — eine vollkommen
geschlossene künstlerische Einheit. Die Geschichte
der bildenden Kunst, entstanden in einer Zeit des
Klassizismus, fortgeführt in einer Zeit ohne Orna-
mentik, ist sich dessen nie so recht bewußt ge-
worden, sonst hätte sie die zahlreichen Ornament-
wanderungen von China nach Skandinavien und

Der nackte und der bekleidete Mensch
Die beiden großen Ströme der Kunstenitvicklung


Tizian, Die drei Lebensalter. London
 
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