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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 2.1867

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Woltmann, Alfred: Holbein's "Lais Corinthiaca": gestochen von F. Weber
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https://doi.org/10.11588/diglit.4906#0143

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zu Nutzen vnb zu Niesen geben sollen, disen artickel hat
FrowMaria Zscheckenpürle abgethann, vnnd widerufft, vnd
von Nüwem geordnet, Das nach Jrm tod vnd abgang
die drü kind Jrer Muter souer sy widerkert vnd sich
frombklich vnd Erlich haltet. Ein zimlich lipgeding
daruon sy ein Zymlich Tisch Narung, Desglichen Erbere
nottürfstige becleidung haben möge, erkoufen, wytter sollen
sy Jro nützit schuldig sin, ob sy aber nit wider keren, vnd
sich frombklich vnd erlich halten, oder das sy widerkeren,
vnd darnach aber vonderErberkeitlassenwurde,
Alsdann sollen Jr die kinder ganntz Nützit verpundeu noch
phlichtig sin." Eine Ergänzung giebt die Theilungsurkunde
der Erbschaft von der heiligen drei König Abend 1527,
worin es lautet: „Das die herren der Carthus Deß-
glichen die drü kinder Offeupnrg schuldig vnd verpflicht
sind, frow Magdalena der gedachten kinden Mütterlin
alle iar Jeelichs doch nit witter danu Jr leptagen Lanng
zehen gulden, ein pfund dry schilling für den gulden ze-
geben, vnd iro die gan franckfort, oder wo sy dann Jr
wonung hat zeschicken". — So wird uns also gerade um
die Zeit, in welcher die „Lais" gemalt worden, eine Frau ^
Offenburg, die von der Ehrbarkeit gelassen und deshalb
von ihren Verwandtcn enterbt wird, genannt. Hätten wir I
nichts als diese beiden Urkuudcn, so möchte es kaum zu
gewagt scheinen, dieselbe mit der „Venus" und „Lais"
zu identificiren. Eine dritte Urkunde macht dies aber mehr
als zweifelhaft. Bereits im Testament des Morand von
Brunn, des Gemahls jener Erblasserin wird Frau Mag-
dalena Zscheckapürlin, Junker Hansen Offenburgs Ehe-
gemahl, ein Legat ausgesetzt, „umb des geneigten Willen",
so der Testator zu ihr hat*). Dies Testament aber ist
bereits vom St. Johannistag 1502 datirt. Weun Frau
Magdalena da schon vermählt war, muß sie mindestens
15 bis 16 Jahre gezählt haben, war also im Jahre 1526
gegen40Iahre alt und kann nicht jene in üppigerJugend-
schönheit prangende Dame sein, welche Holbein als Lais
gemalt. Sollte die Familie Offenburg damals noch eine
andere Schöne von zweideutigem Rufe besessen haben?
Uns ist das Wahrscheinlichste, daß Basilius Amerbach, der
Berfasser desJnventars, iu der Tbat die Frau Magdalena
gemeint hat. Sie war zu Holbein's Zeit wegen ihres

') „Sodann, vmb des geneigten willen, so er hatt zu frow
Magdalena Zscheckapiirlin, Junkhern Hannsen Offenburg« eege-
mahel, Da ist sin Jnnkhern Morands will, das die hundert gul-
din, so er derselben frow magdalena vormals vergabt hatt, Jro
vmb Jerlich Zinß angelegt sollen werden, welich gült sy selbs fiir
Jr Person haben, Zenemen Bnnd die nach Jrem willen bruchen
soll, on Jrs gemahels Jntrag vnnd darzu ouch witer ordnet er
Jro Als er hundert gulden houptgut siirgenauten Junkher Hann-
sen Offenburg vffgenommen hat vnd die für Jm verzinsen ist,
Deßhalb ist sin Junkhern Morands will, das sine erbenn derselben
frow Magdalenen Junkhern hanns offenburgs efrouwen sollich
hundert gulden nachlassen, vnnd Jr frow Magdalena gut heissen
vund ersetzt werden sollent."

Lebenswandels berüchtigt gewesen, und da lag es nahe,
diese beiden Bildnisse für die ihrigen zu halten. — Da
hätten wir eine Lösung, wenngleich keine befriedigende für
die Neugier, welche diese eigenthümliche Darstellung er-
weckt.

Mag uns hier noch ein Zusatz erlaubt sein. Herr
Professor A. Springer, als er kürzlich an dieser Stelle
das Buch des Verfassers eiuer Beurtheilung unterwarf,
welche die schöuste Belohnung für jahrelange Arbeit an
einem solchen Gegenstande ist, hat zwei Ausstellungen in
die freundliche Form von Fragen an den Verfaffer gekleidet.
Auf solche Fragen ziemt sich zu antworten, und die Ant-
wort kann nur dahin lauten, daß wir selbst beide Aus-
stellungen für vollkommeu begründet halten. Es warnicht
gerechtfertigt, von den Bildern der „Lais" und „Venus"
zu sagen: „Dabei muthen uns diese beiden kleinen Ge-
mälde an, als läge ein eigenthümliches Geheimniß unter
ihnen verborgen, ein Geheimniß, wclches auf den Künstler
selbst Bezug hat, nnd in welches die eigene Person desselben
hineinspielt." Holbein kann die Bilder weit eher für eiuen
reichen Liebhabcr der schönen Buhlerin gemalt haben, als
für sich selbst. Die Ursache, das Letzte anzunehmen, war
für uns der Umstaud, daß Bonifacius Amerbach zu seiner
Holbein-Sammlung größtentheils dadnrch gekommen, daß
er Alles, was sich an Studien, Zeichnungen, Bildern in
der eigenen Werkstatt des Künstlers vorfand, wahrschein-
lich nach Holbeins Weggang von der Frau erwarb. Das
ist aber kein ausreichcnder Beweis.

Ebenso richtig war das, was die Kritik über Holbein's
Gattin sagte. Der Fehler des Verfaffers war, daß er
den Angaben gcgenüber, welche die alten Biographen über
Holbeins eheliches Unglück machen, nicht volle Unbe-
fangenheit gewonuen hat, mochte er gleich selbst bei dieser
Stelle aussprechen, daß es voreilig sein würde, so unzu-
verlässigen Gewährsmännern unbedingt Glauben zu schen-
ken. Neuerdings haben wir zwar urkundlich erfahren, daß
Holbein eine Wittwe gefreit hat, und sein Familienbild
macht es wahrscheinlich, daß sie etwas älter war als der
Mann. Aber Nachtheiliges gegen ihren Charakter sagen
ihre Züge nicht aus. Da Holbein Frau Elsbeth heim-
führte, hat sie hübscher und jugendlicher ausgesehen, als
sic uns hier, in einer Ehe voll Sorge, Arbeit und Noth
vielleicht früh gealtert, erscheint. Unter den Haudzeich-
nungen des Louvre befindet sich, im Katalog als „Unbe-
kannt, aus deutscher Schule" aufgeführt (Nr. 639), daS
Brustbild einer jungen Frau*), welches sicher Holbein's
Werk ist und die ausgesprochenste Aehulichkeit mit seiuer
Hausfrau hat. Herr His-Heusler machte, nach der Pho-
tographie, diese Wahrnehmung zuerst. Beides war mir
unzweifelhaft, sobald ich das Original sah, während die

*) Ausgestellt im nordöstlichen Ecksaale des Hauptgeschosses,
welcher Deutsche »nd Niederländische Handzeichnungen enthält.
 
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