Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 2.1867

DOI article:
Meyer, Bruno: Das deutsche Gewerbemuseum zu Berlin, [1]
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.4906#0148

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
143

nur an einigen Stellen in fast ungeschickter Weise zu Tage.
Das Technisch-Wissenschaftliche, ja das Technisch-Prak-
tische überwiegt dasselbe bei weitem. Man könnte das
Ganze, wie es sich nach dem Plane darstellt, als eiue
Muster-, Modell- undProbensammlungfürHand-
werker und Gewerbctreibende aller Art bezeichneu, uur
uicht unter dem künstlerischen, sondern unter deni rein
praktischen Gesichtspunkte.

Die bezeichucte Tendenz tritt hauptsächlich in der
Eintheiluug zu Tage. Diese ist immer damit verthei-
digt worden, daß sie dem Benutzenden, d. h. vorzüglich
dcm Gewerbetreibenden, beini Aufsuchcn des für ihn
Wünschenswerthen möglichst beguem und förderlich, d. h.
praktisch sein solle; eine theoretische Haarspalterei habe
man nicht bezweckt. Da muß jedoch lebhaft bestritten wer-
dcn, daß einc praktische Anordnung keincn wisscnschaft-
lichen oder überhaupt irgend welchen Grundsätzen solgen
könne und müsse. Gegentheils besteht die Behauptung zu
vollem Rechte, daß eine vernünftige, die einzig richtige
Eintheilung nach wissenschaftkichen Prinzipien die prak-
tischen Anforderungeu zugleich mit erfüllen muß und
wird, ja daß sie daran erkennbar ist, daß sie es thut.
Natürlich ist für eine Sammlung, dic Heterogenes zu-
gleich und das Unwichtige in erster Linie will, ein solches
vernünftiges Eintheilungsprinzip unmöglich zu fiuden.
Darnm zu allererst Klarheit der Absichten und Ziele!

Der Plan setzt für die Orduung der Sammlungen
solgeuden Kauon fest: „Soweit die aufzustellenden Gegeu-
stände der Bcarbeitung unterworfen sind, haben einzelne
derselben einen inncren Zusammenhang, welcher sich im
gemeinen Leben durch das Gewerbe ausdrückt, dcm dic
Anfertigung zugewiesen ist. Es wird empfehlenswerth sein,
diese Zusammengehörigkeit bei der Ordnung der Gegen-
stände, wo es angeht, zu berücksichtigeu. — Eine voll-
ständige Ordnung nach Gewerben ist aber weder empfeh-
lenswerth (!), noch durchführbar, weil viele Gewerbe nicht
natürlich (?) von einander geschieden sind, auch manche
sich auf natürlichem Wege in zwei oder mehr spalten
ließen. Es wird deshalb angemessen sein, die Gewerbe
wieder zu grnppiren und höheren Einheiten unterzuordncn.
Als Gesichtspunkt für diese Einthcilung bietet sich ani
natürlichsteu (?!) das Bedürfniß des Mens chen, welches
durch die Erzeugnisse der Gcwerbe Befriedigung finden
soll. Jnnerhalb dieser großen Rahmen aber müssen die
kleinereu Abtheilungen uach den Stoffen sich abgränzen,
welche bearbeitet werden."

Also einHauptcintheilungsprinzip, das, „wo es angeht",
„empfehlenswerth" ist, aber gleich zum Suchen „höherer
Einheitcn" hindrängt! Diese sollen denn von dem
„Bedürfniß des Menschen" herkommen, dem mannich-
faltigsten uud vielgestaltigstcn, daher in festumschriebene
Umrisse am schwersten zu bannenden Dinge. Und das soll
eine Eintheilung der Gewerbe geben. Es klassificirt aber

höchstens deren Erzcugnisse. Die meisten Gewerbe, die
beispielsweise dem Bedürfnisse nach einer Wohnuug dieneu,
haben miudestens die nämliche Bedeutung für die Be-
friedigung anderer Bedürfuisse: Tischler, Glaser, Schlosser,
Klempner u. s. w. Statt also die erst gewonnenen Rubriken
zu einfacheren Gruppen zusammenzufassen, zerreißen die
übergeordneten Einheiten dieselben gleichzeitig, und nun
kommt als drittes Theilprinzip, — es ist nicht crsichtlich,
aber auch bezüglich des Grades der Konfusion unerheblich,
ob einem der beiden früheren bei-, oder beiden untergeord-
net, — noch das uach Stoffen hinzu. Da uun sehr viele
Stoffe mehrereu Gewerbcu als Arbeitsmaterial und ver-
schiedenen menschlichen Bcdürfnissen dieneu, so giebt das
eine neue Zerreißung des Zusammengehörigen. Die er-
kläreuden Nohmaterialsammlungen müssen willküriich ir-
gend einer Abtheilung einverleibt werden, dic durch das
Wesen eines Stoffes oder einer BehaudlungSart bedingte
Gleichartigkeit, das Wichtigste für die stilvolle Berarbei-
tung, kann da aber selbstredend nicht klar erfaßt werden.

Allerdings ist dieses künstliche Eintheiluugsschema in
dem Plane selber nicht durchgeführt (weil das natürlich
unmöglich ist), soudern hier herrscht die reine Willkür in
dcr Anordnuug, und nur hiu und wieder bringt sich einer
oder der andere der in der Einleitung aufgestellten Gesichts-
punkte durch irgend eine Unbegreiflichkeit in Erinuerung,
wie z. B. ossenbar uur die Rücksicht auf die (wie gesagt
unendlich manuichfachen und daher hier gar nicht niaß-
gebenden) Bedürfnissc des Menschen eine Abtheilung für
Unterrichtsmittel, die als solche im mindcsten nicht
zur jtompetenz eines Gewerbemuseums gchören, — denn
scil waiin bilden die Lehrer ein Gewerbe? oder welches
Gewerbe vcrfertigt Uiiterrichtsmittel, auch nur als haupt-
sächlichsten Gcgcnstand seiner Thätigkeit? — einc gleiche
für Eruährung, die sich als ungehörig schon durch die
bereitwilligst abgegebeue Erkläruug der Koniitöniitglieder
erweist, sie gern eiuem etwa zu Stande kommenden land-
wirthschaftlichen Museum zur Ausführung zu überlassen,
— denn ein nothwendiges Stück und Ergänzungsglied
der Sainmlung darf man nicht aufgebcn, wennglcich ähu-
liches schon anderswo vorhanden ist, — und endlich eine
sogarsürReiniguug uud Beleuchtung vcranlaßt hat.

Man braucht nur die vierzehn Hauptabtheilungeu der
Sammlung (I. Bau- und Zinimerkunst, II. Möbel und
Geräthc, 111. Schmuck, IV. Heraldik (!). V. Waffen und
Ausrüstuiig, VI. Gefäße, VII. Webereien, VIII. Klei
dung, IX. Leder-, Papicr- nud Papparbeiten, X. Ber-
vielfältigende Äunst, XI. Unterrichtsiuittel, XII. Ernäh-
rung, XIII. Reinigung und Beleuchtung, XIV. Maschinen)
flüchtig zu übcrblicken, um sich zu überzeugen, daß das
Ganze den Charakter der Flickarbcit, ohne eine ein-
heitliche Jdee auch nur in der Grundlage, an sich trägt.
Die Abtheilungen stehen einander in keiner Hinsicht
gleich, sie kreuzen einander im buntcsten Wirrwarr, und
 
Annotationen