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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 2.1890/​91

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G.F.: L'Archivio storico dell'arte
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https://doi.org/10.11588/diglit.3773#0010

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L'Archivio storico tlell' arte.

Toskana, in Beziehung mit der Goldschrniedekunst
gestanden hätte, hatte er sich in seinen Jugendjahren
mit der Verfertigung von Masken beschäftigt, welche
damals wieder nach antiker Sitte für dramatische
Darstellungen sowohl weltlicher als kirchlicher Spiele,
gehraucht wurden. Dieser Umstand wirkte ent-
schieden auf die Auffassung der Gegenstände ein,
die er hernach in seinen plastischen Thongruppen
darstellte. Da kann man wieder sehen, welche Trag-
weite für die Kichtung der Künstler die Umgebung
hat, in welcher sie aufgewachsen sind. Denn zur
selben Zeit, wo wir in den bevorzugteren Teilen
Italiens eine Entfaltung der feinsten, nach den höch-
sten Idealen strebenden Eigenschaften wahrnehmen,
verhält es sich ganz anders in einem ärmlichen
Städtchen, wie Modena. Da fehlte es durchaus an
anregenden Denkmälern einer erhabenen Vergangen-
heit, und somit musste ein Mann, wie Mazzoni, prin-
zipiell auf sich selbst und auf eine nüchterne An-
schauung der natürlichen Erscheinungen sich an-
gewiesen sehen. Wirklich sieht man dies seinen
plastischen, die Trauer um den Leichnam Christi
darstellenden Gruppen an, welche er für verschiedene
Orte seines Vaterlandes auszuführen hatte. Man
kann sich kaum etwas Charakteristischeres denken,
als diese in natürlicher Grösse ausgeführten Werke,
welche gleich bewundernswert sind als Darstellungen
der lebendigen wie der toten Natur. Der Ausdruck
der Gebärden und Bewegungen bei den Schmerzens-
scenen wird noch erhöht durch die Bemalung, so
dass der Beschauer beim ersten Anblick der Gruppen
fast von einer Empfindung des Schreckens ergriffen
wird. Die beste derselben ist wohl diejenige, welche
heutzutage in einer grossen Nische der Kirche San
Giovanni decollato in Modena aufgestellt ist und
von dem Meister im Jahre 1480 vollendet wurde.
In gleichem Sinne gedacht ist diejenige, welche
in Neapel in einer abgelegenen Kapelle der Kirche
von Montoliveto zu sehen ist, wo sie einen besonders
grellen Kontrast hervorruft im Vergleich mit den
zarten Marmorskulpturen nicht nur eines Benedetto
da Maiano (der bekanntlich ebenfalls zwei Kapellen
der Kirche dekorirte), sondern auch der später da-
selbst im Wetteifer arbeitenden zwei neapolitanischen
Bildhauer Giovanni da Nola und Girolamo Santa
Croce. Leider haben alle Werke des Modanino, das-
jenige der Maria mit dem Kinde, von Andächtigen
umgeben, in der Krypta des modenesischen Domes
mit einbegriffen, ihre ursprüngliche Bemalung ein-
gebüsst. Dieser Umstand, sowie die von Venturi
angedeutete Thatsache, dass im Laufe der Zeit man-

ches an der ursprünglichen Aufstellung der Gruppen
geändert worden ist, haben wohl nicht wenig dazu
beigetragen, den von den Bestellern und von dem
Künstler bezweckten Effekt der Werke zu schmälern.

Wir erfahren ferner, dass Mazzoni, nachdem
er in Ansehen beim Herzog von Kalabrien gestanden,
sich auch die Gunst und die Ehre eines Ritter-
ordens von Karl VIII. von Frankreich zu erwerben
wusste, nachdem dieser König im Jahre 1495 seinen
feierlichen Einzug in Neapel gehalten hatte. Er
wurde sodann aufgefordert, bald darauf dem Köuige
selbst auf seiner Flucht nach Frankreich zu folgen.
Nach dem Tode desselben, 1498, wurde er mit der
Ausführung seines Grabmales beauftragt, von dem
uns Venturi ein Faksimile eines alten merkwürdigen
Stiches vorbringt. Es ist ein Sarkophag, auf wel-
chem der König mit vier Engeln kniet; darunter
fünf trauernde weibliche Gestalten in Relief. Später
arbeitete er auch für Ludwig XII., kehrte schliess-
lich in seine Vaterstadt zurück und starb daselbst
im Jahre 1518.

Recht anerkennenswert ist nebst diesem Auf-
satze, welcher seine Ergänzung in der Schilderung
von andern denkwürdigen Plastikern, wie Antonio
Begarelli, Alfonso Lombardi u. a. finden wird, die
eingehende Beschreibung und Charakterisirung,
welche Natah Baldoria folgen lässt von den Denk-
mälern der Kunst in dem höchst anziehenden Berg-
städtchen Toskanas San Gemignano, sprichwörtlich
dalle cento torri genannt. Es würde uns hier zu
weit führen, all die herrlichen Werke nennen zu
wollen, von denen in geschichtlicher und in kriti-
scher Hinsicht in dem Artikel die Rede ist. Wie-
wohl der Ort schon allgemein bekannt und oft be-
schrieben ist, ist es dem Autor doch gelungen, manche
bestimmtere Angaben über die Künstler ans Licht zu
ziehen, die ihm von den lokalen archivalischen Quel-
len geliefert wurden. So erfahren wir u. a., dass
Domenico Ohirlandaio die Fresken in der Kapelle der
Santa Fina schon als fünfundzwanzigjähriger Jüng-
ling im Jahre 1474 ausführte, dass Sodoma im Jahre
1513 auch mit Freskomalereien daselbst beschäftigt
gewesen, von denen leider nur noch einige schöne
Engelfiguren übrig blieben, u. s. w. Mehrere der
angedeuteten Werke werden nebst der Beschreibung
des Textes mit zinkographischen Aufnahmen veran-
schaulicht, was bei ähnlichen Arbeiten immer will-
kommen ist, auch wenn die Abbildungen in tech-
nischer Hinsicht etwas zu wünschen übrig lassen.

G. F.
 
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